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In vielen Medien liest man, dass Firmen verstärkt auf Präsenz im Büro setzen, nachdem die Coronajahre sehr viel für Remote Work getan hat. Wenn man dann auf Internetplattformen wie Reddit nachliest, ergeben sich hieraus Streitpunkte. Viele Mitarbeitende möchten das Home Office nicht mehr missen und signalisieren Wechselbereitschaft, wenn es verringert oder abgeschafft wird. In der Diskussion kommen meist schwarz-weiße Argumente auf. Ich persönlich habe zu Home Office ein gespaltenes Verhältnis.

Die simplen Argumente

Viele Beiträge, die ich zu diesem Thema gelesen habe, malten ein sehr positives Bild des Home Office. Man vermeidet Pendelzeiten, kann notwendige Haushaltsaufgaben in Pausen unterbringen und ist aufgrund mangelnder Ablenkung viel produktiver. Die Rückkehr ins Büro wird, in den meisten Fällen, dem Kontrollzwang von „denen da oben“ zugeschrieben, die den Mitarbeitenden nicht trauen.

Ich denke, dieses Bild ist an vielen Stellen arg vereinfacht und auch nicht korrekt. Meiner Erfahrung nach hängt es im Wesentlichen von zwei Faktoren ab, ob ein Mensch im Home Office produktiv ist:

  1. Dem Menschen selbst und seiner bzw. ihrer Arbeitsweise,
  2. und den Aufgaben, die diese Person hat (ich spare mir jetzt den offensichtlichen Hinweis, dass beispielsweise Pflegekräfte nicht im Home Office arbeiten können – ich meine damit etwas anderes, dazu gleich mehr).

Wer nicht nein sagen kann, ist nirgends produktiv

Wenn Menschen gerne „ja“ sagen, was wir psychologisch alle gerne tun, entsteht Druck. Der Kollege, der zum Plausch rein kommt, die Kollegin, die Hilfe benötigt, der volle Wäschekorb – es macht eigentlich keinen Unterschied, wo diese Dinge passieren. Ob zu Hause oder im Büro, Ablenkungen warten überall. Wer sich gut fokussieren kann, ist immer in der Lage, die richtigen Prioritäten zu setzen. Wer sich leicht ablenken lässt, ist dagegen überall gefährdet.

Meiner subjektiven Erfahrung nach sind die Ablenkungen zu Hause deutlich größer. Es ist einfach zu verlockend, die Kamera im Meeting auszuschalten und schnell den Trockner anzuwerfen oder dem Kind bei den Hausaufgaben zu helfen. Das ändert natürlich nichts an den Ablenkungen durch die Arbeit. Es kommt aber erschwerend hinzu.

Das, was zu tun ist, entscheidet

Hinzu kommt noch die Art der Arbeit. Wenn man eine klare Aufgabe hat, die von niemand anderem abhängig ist, spielt es keine Rolle, wo man sie erledigt. Ganz im Gegenteil, hier kann es von Vorteil sein, dass man nicht einfach schnell physisch unterbrochen werden kann. Remote Work ist dann oftmals sehr produktiv.

Es gibt aber auch viele Dinge, die so nicht funktionieren. Eine Kamera ersetzt keine direkte Interaktion. Denn wir nehmen viele Dinge durch Körpersprache wahr, was über eine Kamera nicht funktioniert. Ich denke nicht, dass zum Beispiel eine echte Retrospektive remote funktioniert. Es geht dabei um das Schaffen eines geschützten Raums, um den Austausch wichtiger, oft auch unangenehmer, Information. Das geht, aus meiner Sicht, nur persönlich.

Das gleiche gilt für mich auch für gute Projektarbeit. Den neuen Kollegen per Video einarbeiten kann funktionieren. Persönlich sind aber die Erfolgsaussichten größer. Es ist viel einfacher, jemanden um Rat zu bitten, der direkt neben einem sitzt, statt einen Anruf zu starten.

Digitaler Taylorismus im Home Office

Was vielleicht wie ein Plädoyer für das Büro klingt, ist es dennoch nicht. Ich glaube, Remote Work hat einen Platz in unserer Welt. Gleichwohl bin ich auch überzeugt davon, dass echte Interaktion missionskritisch ist. Reine Remote-Arbeit ist wie eine digitale Variante des Taylorismus, bei dem alle Menschen beliebig austauschbar sind. Natürlich kann man das als in Ordnung empfinden.

Ich persönlich denke aber, dass Arbeit mehr sein darf, als einfach der reine, optimierte Austausch von Zeit gegen Geld und das Abarbeiten abgetrennter Pakete. Zudem finde ich es gut, wenn meine Arbeit und mein „Heimathafen“ nicht identisch sind – die Trennung macht mir die Fokussierung leichter.

Kurz gesagt, in meinen Augen ist eine gesunde Mischung (50-50 oder 60-40) der richtige Weg, um sowohl die Annehmlichkeiten der modernen Welt zu nutzen, ohne dabei die Interaktion und Kollaboration komplett zu verlieren. Ich jedenfalls möchte keine austauschbare Arbeitsdrone sein, die irgendwo auf der Welt irgendwas alleine erledigt. Für mich gehört zu Arbeit mehr als das.

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