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Vor fast genau vier Jahren habe ich über das Thema Bürokratie einen Beitrag geschrieben. Gerade Stempel nehmen dabei eine wichtige Rolle ein. Deshalb möchte ich das Thema der vermeintlichen Stempelpflicht zum Auftakt des Jahres fortsetzen – mit meinen besten Erlebnissen aus 2022.

Was kaum jemand weiß: Es gibt keine Stempelpflicht

Ich verstehe gut, dass vor 100, 70 oder 50 Jahren ein Stempel noch etwas tolles war. Teuer in der Herstellung und deshalb Firmen und Behörden vorbehalten. Das ist heutzutage nicht mehr so. Ich kann mir jeden Stempel der Welt für wenige Euro herstellen lassen. Die vermeintliche Legitimation, die damit verbunden wird, ist also keine. Wenn ich mir einen Stempel mit beliebigen Daten machen lassen kann, was genau legitimiert er dann? Die Antwort ist einfach: Nichts.

Dazu kommt, das in Zeiten digitaler Dokumente kein Sinn mehr darin liegt, diese zu drucken um dann zu stempeln. Das ist unnötiger Aufwand und vermeidbarer Ressourcenverbrauch. Für digitale Unterlagen gibt es eigene Lösungen zur Legitimation, die aber noch nicht weit verbreitet sind.

In diesem Zwiespalt der technischen Unzulänglichkeit halten also viele Stellen an den schönen Stempeln fest – und tun so, als müssten das alle. Das ist aber falsch. Es gibt keinerlei gesetzliche Vorschrift für Unternehmen, Stempel zu besitzen oder zu nutzen. In wenigen Berufen und an wenigen Stellen ist das, soweit ich recherchieren konnte, anders geregelt. Für einen Großteil der Menschen allerdings ist ein Stempel nur eins: Ein physischer Anachronismus, ein Symbol der Vergangenheit.

Der Hügel, auf dem ich zu sterben bereit bin

Jeder Mensch braucht den sprichwörtlichen Hügel, auf dem er oder sie zu sterben gewillt ist. Stempel sind mein Hügel. Ich diskutiere viele Male jedes Jahr mit Menschen darüber, warum ich keinen Stempel habe (weil ich das nicht muss und wenig hilfreich finde). Die Entrüstung, die mir entgegenschlägt, ist mir dabei ein Rätsel. Warum stehen so viele darauf, einen Stempel irgendwo zu haben?

Warum tut man so, als gäbe es eine gesetzliche Verpflichtung, indem man auf Formularen vorgefertigte Felder für den Stempel unterbringt? Was würde denn der Stempel sagen oder an Mehrwert bringen? Aus meiner Sicht: Weniger als nichts.

Und so durfte ich mit diversen Stellen im Laufe des vergangenen Jahres darüber diskutieren, warum ich keinen Stempel auf ein Blatt drücke. Und ich werde das gerne weiter tun. Denn es ist schlimm genug, dass man ihn wünscht – noch schlimmer finde ich, ihn zur Bedingung zu machen, wenn niemand verlangen kann, dass man einen besitzt.

Ein Auszug aus den Gesprächen

Ich bekam im Laufe des Jahres ein Formular einer Behörde, das nur mit den Quellen meiner Rolle als Geschäftsführer überhaupt auszufüllen ist. Keine andere Person hätte dieses Dokument sachlich korrekt ausfüllen können. Auf den Stempel habe ich, natürlich, verzichtet. Es passierte, was passieren musste: Das Dokument kam zurück, “Stempel vergessen“. Die Entrüstung über meine Antwort, dass ich schon lange keinen mehr besitze, war riesig. Aber man hat es, irgendwann, akzeptiert.

In der Kommunikation mit einem Dienstleister war ebenfalls auf dessen Bestellformularen ein Stempelfeld vorgesehen. Ich hakte nach: Ich würde gerne mein Team die Bestellungen machen lassen, ob es ok ist, dass kein Stempel darauf sein wird? Die Antwort war, für jemanden der täglich mit IT zu tun hat, erschütternd: Ja, das ist ok, wenn alle Bestellungen von meiner E-Mailadresse kämen. Nun weiß jeder, der etwas mit Computern zu tun hat, dass Mailadressen (insbesondere die sichtbaren) nicht als Validation taugen. Inwiefern das also mehr legitimiert, lasse ich mal offen.

Und, nicht zuletzt, eine Schule: Sie schrieb mich an, ob die Entschuldigung meines Auszubildenden auch wirklich über meinen Tisch gegangen sei, da kein Stempel darauf war. Ich musste lächeln. Zum einen, weil es schön war, dass man sich rückversichert (auch wenn das im konkreten Fall definitiv nicht nötig wäre) – zum anderen frage ich mich, was ein findiger Azubi denn tun würde. Als ob es unmöglich wäre, eine Unterschrift zu fälschen und einen Stempel von einem Tisch zu nehmen und zu nutzen. Das erscheint mir dann doch etwas weltfremd.

Mein Traum: Ehrlichkeit

Es wäre schön, wenn alle Firmen und Behörden hier einfach mal das alte Symbol entfernen würden. Keine vorgesehenen Felder für Stempel auf Formularen. Keine Diskussion um etwas, was freiwillig ist.

Bis das passiert, werde ich weiter meinen kleinen Hügel erklimmen und darauf kämpfen.

 

Bildquelle: Rainer Sturm  / pixelio.de 

 

 

 

Vor ein paar Wochen sprach ich, im Kontext von Leadership, über die unterschiedlichen Brillen. Es sind die Verhaltenspräferenzen und Überzeugungen, mit denen wir auf die Welt schauen. Diese zeigen sich nicht nur im Kontext der Führung, sondern auch bei vielen anderen Dingen.

Gerecht ist ein großes Wort

Mit einer spannenden Wahl, die hinter uns liegt, kamen auch wieder viele große Worte auf. Ein Beispiel dafür ist Gerechtigkeit. Ich führe im Freundes- und Bekanntenkreis durchaus gerne politische Diskussionen.

Als besonders wertvoll empfinde ich diejenigen, bei denen mein Gegenüber eine komplett andere Weltsicht hat, und deshalb zu ganz anderen Definitionen, Herleitungen und Begründungen kommt.

Eine solche hatte ich zum Thema Gerechtigkeit, insbesondere bei Steuern. Er verteidigte vehement das bestehende progressive Steuermodell und damit einhergehende Mechanismen, wie bspw. Freibeträge, Pauschalen und Co. Dabei bezeichnete er es als gerecht, weil die Steuerlast mit höheren Einkommen steigt. In sich war die Argumentation schlüssig und nachvollziehbar. Allerdings kommt man mit einer anderen Brille zu einem ganz anderen Ergebnis.

Ich habe in dieser Diskussion dagegen für Flat Tax argumentiert, bei gleichzeitiger Abschaffung aller Schlupflöcher. Das war schon einmal in der Diskussion wurde aber damals von vielen als ungerecht gebrandmarkt. Dabei empfinde ich es als ultimativ gerecht, denn bei einem prozentual identischen Steuersatz zahlen Menschen, die mehr verdienen, auch automatisch mehr. Als ungerecht empfinde ich dagegen eher, dass durch progressive Tarife (und unterschiedliche Besteuerung verschiedener Einkunftsarten, sowie unendlich vieler Möglichkeiten zum Ausweichen) insbesondere diejenigen bestraft werden, die eh schon, nominell, mehr beitragen. Und jede Form des Aufstiegs ist ebenfalls “mit bestraft”.

Entlastung ist ebenfalls ein solches Wort

Das gleiche Empfinden habe ich, wenn ich das Wort Entlastung höre. Zuletzt war das verstärkt bei der Frage der Abschaffung des Solidaritätszuschlags der Fall.

Mittlerweile ist der sog. Soli für 90% der Zahler abgeschafft. Begründet wurde dies immer mit Entlastung. Allerdings habe ich da auch ein anderes Empfinden. Per Definition kann nur entlastet werden, wer vorher belastet wird.

Gerade beim Soli, als prozentualem Aufschlag, finde ich diese Argumentation deshalb absurd. Die “entlasteten” 90% haben schon in der gesamten Zeit des Bestehens des Solis nur einen geringeren Teil zu dessen Aufkommen beigetragen. Das ergibt sich aus der Logik und aus dem Steuersystem, das mit seinen Freibeträgen, Abzugsmöglichkeiten, Pauschalen und Subventionen letztlich genau dazu führt. Diverse Quellen kommen, mit leicht unterschiedlichen Zahlen, ebenfalls zu diesem Schluss. Ein Beispiel wäre zum Beispiel diese Studie.

Somit wurde also eigentlich nicht entlastet, denn diejenigen, die belastet waren, sind es weiterhin. Nur noch ein wenig unfairer als zuvor. Über die Sinnhaftigkeit und Gerechtigkeit eines Beitrages, dessen Begründung entfallen ist, will ich dabei nicht mal sprechen.

Die eigene Brille verändert Definitionen

Kurz gesagt, je nach eigener Brille ist alleine die Definition weit verbreiteter Wörte schon komplett unterschiedlich. Das ist gut zu wissen, wenn wir mit anderen umgehen. Und eine gute Basis für wertschätzende Diskussion.

Und es zeigt, dass das Ziel, dass viele Menschen haben, nämlich dass starke Schultern mehr tragen als schwache bereits längst erreicht ist.

Ich bin beim Browsen über einen Artikel bei Spiegel Online gestolpert. Darin geht es um die Frage, ob die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, mit 40 zu jung für das Amt ist. Interessanterweise hatte ich vor kurzem ein ähnliches Erlebnis.

“Sie haben ja noch Zeit”

Vor einige Monaten wurde in meiner Gemeinde ein Schiedsmann gesucht. Da ich selbst ein solches Verfahren schon einmal in Anspruch genommen hatte, fand ich das interessant. Dazu kommt, dass ich dieses Jahr 40 werde. Mein ehrenamtliches Engagement bei JCI Germany/Wirtschaftsjunioren Deutschland endet dann leider. Für meinen Geschmack viel zu früh, aber so sind die Regeln. Da ich mich auf Landes- und Bundesebene schon engagiert habe, dachte ich, es sei eine gute Idee, sich auch lokal zu engagieren. Dementsprechend habe ich meine Bewerbung eingereicht und durfte mich vor den Ortsräten vorstellen.

Ich dachte, 40 ist ein gutes Alter. Man ist weit genug im Leben, um die Bedürfnisse verschiedener Generationen zu kennen. Man ist für Menschen jeden Alters ansprechbar. Dazu kommt, dass ich als aktiv im Berufsleben stehender Mensch dachte, das ist genau die richtige Zeit. Es passte alles, aus meiner Sicht.

Die Räte sahen es, zu meinem Bedauern, nicht so. Meine Mitbewerber waren beide über 70. Einer zog zurück, der andere bekam die Empfehlung und gewann die Wahl. Auf dem Weg raus, nach dem Wahltermin, verabschiedeten wir uns. Einer der beiden richtete den Satz “Sie haben ja noch Zeit” an mich. Das hat mich eine Weile beschäftigt, und kam nun beim Lesen des Artikels erneut hoch. Denn aus meiner Sicht ist das anders. Wenn nicht jetzt, wann dann? Ich möchte mich engagieren, solange ich noch voll einsatzfähig und nahe an der Realität der Zielgruppe bin! Wie Sascha Lobo es formuliert hat: …(eine) Gesellschaft … , die Seriosität anhand der Zahl der Jahre beurteilt ist vielleicht nicht meine Vorstellung.

Alte wählen Alte – der Rest ist zu jung?

Rein statistisch betrachtet ist das Durchschnittsalter, aber auch die Berufsverteilung, in unserem Parlament kein Abbild der Gesellschaft. Etwas simplifiziert: Alte Menschen wählen andere alte Menschen in Ämter. Das ist analog zu meinem Erlebnis.

Grundsätzlich ist das auch erst mal irgendwo verständlich. Und dennoch lässt es mich etwas ratlos zurück. Ich höre immer wieder die Klagen über mangelndes Engagement desinteressierter “Junger” (U40). Gleichzeitig ist uns aber die Möglichkeit einer Wahl versperrt, wenn so gewählt wird, dass sich nichts ändert. Diesen Konflikt bekomme ich in meinem Kopf nicht aufgelöst. Es ist schade, dass wir ernsthaft darüber diskutieren müssen, aber gleichzeitig nichts ändern können, weil die relevanten Positionen entsprechend besetzt sind.

Ob ich etwas daran ändern kann? Ich weiß es nicht – aber ich werde es nicht aufgeben. Aber vielleicht sollte das Thema auch einfach mal angesprochen werden, denn jede soziale Gruppe sieht, per Definition, erst einmal ihre eigene Lebensrealität, nicht die der anderen. Und deshalb wollte ich darüber bloggen.

Machst Du es denn anders?

Nun kannst Du Dir die Frage stellen, ob ich Frau Baerbock wähle. Die Antwort ist: Nein.

Das hat aber absolut nichts mit ihrem Alter zu tun. Ich fände und finde es gut, wenn jüngere Menschen in relevante Positionen kommen, damit die Bedürfnisse mehr Beachtung finden. Es ist völlig klar, dass ein Parlament, in dem die wenigsten noch Kinder im Kita- oder Schulalter haben, sich weniger Gedanken um die Betreuung macht. Es ist völlig klar, dass die Familienrechtsreform, die längst überfällig ist, seit Jahren massiv verschleppt wird – es ist einfach kein relevantes Thema für die Mehrheit der Parlamentarier. Wie viele andere Themen auch nicht – das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat hier wenigstens klar betont, dass “nach mir die Sintflut” kein akzeptabler Weg ist.

Ich wähle Frau Baerbock, bzw. ja eigentlich ihre Partei, aufgrund ihrer Inhalte nicht. Das Wahlprogramm enthält zu viele Punkte, mit denen ich nicht übereinstimme. Das ist eine inhaltliche Entscheidung, die mit der Person nichts zu tun hat. Übrigens, das gilt auch umgekehrt – wenn ein 70jähriger Mensch tolle Inhalte bieten würde, wäre er für mich wählbar. Vielleicht ist das ein Gedanke, den wir alle, in alle Richtungen, haben sollten, statt nach Stallgeruch zu gehen.

Vielleicht würde das auch Dinge verhindern, wie sie in meiner kleinen fiktiven Geschichte angesprochen wurden.

Bildquelle: Richard von Lenzano  / pixelio.de

Heute begeben wir uns in das Reich der Fiktion. Ich möchte Dir eine Geschichte erzählen, die Dir auf Deiner Reise Hinweise gibt, wie Du es besser machen kannst. Normalerweise finde ich Negativbeispiele wenig wünschenswert – in diesem Fall mache ich allerdings eine Ausnahme, denn aus failed Leadership kannst Du einiges lernen.

Es war einmal…

Es war einmal ein Unternehmen. Ein sehr großes Unternehmen, mit Aktionären, vielen Kunden und einem großen Vorstand.

Dieses Unternehmen hatte eine wechselhafte Geschichte hinter sich. Besitzerwechsel, knapp vermiedene Pleiten, große Erfolge und ebenso große Niederlagen. In seiner über 70jährigen Geschichte hatte sich vieles ereignet.

In der jüngeren Vergangenheit hatte es entscheidende Wechsel gegeben. Knapp 20 Jahre zuvor war das Unternehmen kurz vor der Insolvenz. Hohe Produktionskosten, wenig innovative Produkte, die Konkurrenz rümpfte nicht nur die Nase sondern belächelte das Unternehmen. Der Vorstand, relativ frisch im Amt, erkannte die Probleme und verordnete dem Unternehmen eine Radikalkur. Der Widerstand bei Mitarbeitern und Kunden war groß. Dennoch war das Projekt erfolgreich. Aus einem Unternehmen kurz vor der Pleite wurde wieder ein stabiles, geachtetes Unternehmen. Die Kosten wurden reduziert, die Kundschaft profitierte von besseren Produkten, die Aktionäre hätten zufrieden sein können. Stattdessen wurde aber der ungeliebte Vorstand geschasst.

Nachfolger konnte profitieren

Der neue Vorstand trat mit dem Versprechen an, weiter in die Entwicklung des Unternehmens zu investieren. Die Vorarbeit des Vorgängers erwies sich auch langfristig als erfolgreich, das Unternehmen erzielte über Jahre stabile Renditen.

Die Folge war, dass es keinen Innovationsdruck gab. Zufriedene Kunden, zufriedene Aktionäre, der Vorstand hatte ein vermeintlich einfaches Leben. Die Resultate kamen wie von selbst. Zwar konnte man keine großen Sprünge machen, aber die Umsätze wuchsen, die Produkte fanden auf dem Markt Anklang. Die versprochenen Investitionen erschienen nicht mehr notwendig.

Stattdessen zahlte sich es sich für den Vorstand aus, den Kurs beizubehalten. Neue Produkte oder Innovationen waren nicht notwendig. Die Rendite blieb, selbst in Krisen, die den Markt erschütterten, stabil. Der Vorstandsvorsitzende wurde ein ums andere Mal wiedergewählt. Zwar sank die Zustimmung mit jeder Amtsperiode, aber sie war immer noch ausreichend groß – warum auch etwas ändern, wenn der Erfolg am Markt weiterhin so groß war?

Peter-Prinzip

Während dieser Erfolgsphase passierte im Vorstand und im mittleren Management auch vieles. Es gab Beförderungen, die vor allem nach persönlicher Gunst, nicht aber nach Kompetenz vorgenommen wurden. Korruption, Veruntreuung und Verschwendung wuchs, wurde aber seitens des Vorstandsvorsitzenden toleriert.

Mit der Zeit verlor das Unternehmen seinen tadellosen Ruf. Kunden waren von den Produkten gelangweilt, weil keine Innovation passierte. Die Konkurrenz schlief nicht. Nicht nur schuf sie bessere Produkte, sondern sie warb auch diejenigen Mitarbeiter ab, die willens und fähig waren, diese Innovation voran zu treiben. Somit griff das Peter-Prinzip immer mehr, denn übrig blieben diejenigen, deren Kompetenz zweifelhaft war – viele schafften es sogar in den Vorstand.

Kritische Stimmen wurden dagegen verunglimpft und aus dem Unternehmen gedrängt.

Kultur im Fokus

Aus dem einstmals bewunderten und starken Unternehmen entwickelte sich ein Sanierungsfall. Die Substanz, die Jahre zuvor durch kluge, notwendige und zukunftsweisende Entscheidungen aufgebaut wurde, verfiel. Der Markt zeigte sich enttäuscht, ebenso die Aktionäre, selbst wenn die Hauptversammlungen aufgrund strikter Regeln und geschickter Allianzen im Griff gehalten wurden.

Der Vorstandsvorsitzende baute keinen Nachfolger auf, sondern sicherte sich den vollständig abgesicherten Ruhestand auf Kosten der Aktionäre. Kulturell gab es keinen Fortschritt mehr – statt, wie einstmals, für Neuerungen und Fortschritt zu stehen förderte das Unternehmen nun Stillstand und einen Fokus auf inneren Machterhalt. Die Kunden und Aktionäre kamen in der Betrachtung nicht mehr vor, ebensowenig die Konkurrenz.

Was noch funktionierte, war das Marketing. Es wurden Unsummen in die Public Relations investiert, so dass das Bild des Unternehmens stets positiver war, als seine tatsächliche Wertschöpfung.

Krisen fördern alles zu Tage

Mit dieser Ausgangslage kam es zu einer Krise. Der Markt wurde erschüttert. Äußere Einflüsse, die niemand vorhersehen konnten, trafen auf das Unternehmen.

In dieser Krise war Führung gefragt. Diese fand aber nicht statt, da der Vorstandsvorsitzende bereits seinen Rücktritt eingereicht hatte, und kein großes Interesse mehr hatte, das Unternehmen zu führen. Da potentielle Nachfolger zusammen mit den Leistungsträgern in der Belegschaft schon lange zuvor das Unternehmen verlassen hatten, überließ der Vorsitzende seinem Vorstand die Arbeit.

Der Vorstand, in ungeeigneter Besetzung, hatte keine Ideen, wie mit der Krise umzugehen sei. Kurzfristige Maßnahmen wurden immer wieder aufs neue probiert, eine langfristige Strategie wurde versäumt. Während die Mitbewerber teils gestärkt durch die Krise gingen, und immer höhere Marktanteile gewannen, schlitterte das Unternehmen immer tiefer in die roten Zahlen. Die Vorstände unterboten sich mit Fehlleistungen, die in anderen Unternehmen zur Kündigung geführt hätten. Leider sah die Satzung vor, dass sie nur durch den Vorsitzenden entlassen werden können. Dieser bezog aber nur eine moderierende Stellung, statt die Führung zu ergreifen.

Zu Beginn der Krise belächelte man die Konkurrenz, weil die Substanz noch ausreichte. Nach einem Jahr allerdings hatte sich das Bild gewandelt: Das Unternehmen stand am gleichen Punkt wie 20 Jahre zuvor.

Failed Leadership – Lessons to learn

Aus dieser fiktiven Geschichte über failed Leadership gibt es für Unternehmer und Führungskräfte viel zu lernen. Hier meine Top 3 Lektionen:

  1. Leadership erfordert Entscheidungen. Der fiktive Vorstandsvorsitzende hatte großes Glück, dass die Arbeit des Vorgängers seine bevorzugte Handlungsweise, Entscheidungen zu vermeiden, perfekt unterstützt hatte. In der langen Periode des Erfolgs dieser Arbeit konnte er die Früchte ernten, hat aber für sein Unternehmen großen Schaden verursacht. Alle notwendigen Entscheidungen, die die Zukunft betrafen, wurden nicht getroffen. Damit ist das Unternehmen, trotz vermeintlichem Erfolg, heute dort, wo es vor 20 Jahren war. Es fehlt an Substanz, Rücklagen, Zukunftskonzepten für neue Produkte und am richtigen Personal. Insbesondere letzteres ist mit die größte Gefahr, denn die Teamhygiene ist nun mal der Job eines Leaders.
  2. Wertschöpfung passiert nicht im Vorstand. Das Team und die Produkte sind entscheidend. Wenn man die besten Köpfe verliert, ist irgendwann kein Geld mehr zum Verwalten da. Wer sich zuviel mit internen Prozessen und der Verteilung von Geld beschäftigt, vergisst leicht, wo es herkommt – und wie schwierig es ist, etwas zu verteilen, das plötzlich nicht mehr da ist.
  3. Krisen wirken bereinigend. Das Unternehmen kann aus der Krise wie Phönix aus der Asche erwachen. Allerdings wird der Weg dahin steinig und beschwerlich. Es wäre deutlich einfacher gewesen, die Konkurrenz nicht zu belächeln, nur weil die Kunden treu waren, sondern sich ein Beispiel daran zu nehmen. Statt in den guten Zeiten Investitionsstau und Verwaltungsaufwand zu produzieren, sollte man gerade dann in die Zukunft investieren und darauf achten, dass alles im bestmöglichen Zustand ist – denn Krisen kommen immer wieder.

Es gibt hier natürlich noch viel mehr zu lernen. Leider. Auf den Betriebsrat und die Unternehmenskultur bin ich nämlich noch nicht eingegangen. Als Leseempfehlung gebe ich Dir noch einen Artikel und ein Buch mit. Sie könnten kaum aktueller sein.

Wer derzeit versucht, online Medien zu lesen, hat meistens ein Problem. Man muss nämlich zwischen Pest, Cholera und Corona wählen. Entweder, man lässt sich tracken und bekommt jede Menge Werbung eingespielt, man zahlt ein Abo oder man verzichtet auf sehr viele Medien und guten Journalismus. Das ist unbefriedigend – und kann nicht gut gehen.

Bei Risiken und Nebenwirkungen…

Wer sich ein wenig näher mit dem Thema auseinandersetzt, stolpert unweigerlich darüber, warum diese drei Wege alle falsch sind. Beginnen wir beim Thema Werbung. Diese ist, Stand heute, leider immer noch die oftmals einzige Antwort auf die Frage “wie können wir im Internet Geld verdienen”.

Dabei hat Werbung mehrere gravierende Nachteile, auch für die Verlage selbst. Auf einer technischen Ebene ist Werbung, die meist durch entsprechende Netzwerke “live” eingespielt wird, ein Einfallstor für schädliche Software. Zudem macht sie Internetseiten extrem langsam. Und last, but not least: Verdienen tun am Ende vor allem die Werbenetzwerke, die dank Tracking ihre gezielte Werbung immer mehr verfeinern. Bösartig ausgdrückt: Verlage schließen einen Pakt mit dem Teufel.

Teure Abos und freche Paywalls

Die Alternative sind entsprechende Abonnements, die von vielen angeboten werden. Allerdings sind diese unverhältnismäßig teuer. Selbst wenn man bereit ist, Geld für Journalismus zu zahlen (und das sind viele, inklusive mir), ist es nicht möglich, mehrere Medien auf Dauer zu bezahlen. Das ist für die eigene Meinungsbildung extrem schädlich, denn eigentlich ist es wünschenswert, verschiedene Standpunkte zu Themen zu hören. Sonst ist man ganz schnell in der berühmten “Filterblase”.

Die größte Frechheit ist es allerdings, wenn man als User für einen Artikel das Tracking und Werbung akzeptiert…und dann die Paywall trotzdem noch kommt. Das empfinde ich als unlauteres Geschäftsgebahren.

Aber Journalismus muss uns doch etwas wert sein!

Ja, ich bin ein großer Freund von Journalismus. Immerhin wollte ich lange Zeit Journalist werden. Mein Wunsch wäre also, verschiedene Medien parallel zu konsumieren. Das ist, aus den oben beschriebenen Gründen, derzeit nicht möglich.

Dabei liegt die Lösung auf der Hand. Ich hatte sie, mit meinem Team, schon vor mehreren Jahren konzipiert. Dank dem Leistungsschutzrecht und der geringen Größe meiner Firma konnte ich sie nicht umsetzen. Ich denke aber, sie ist und bleibt der richtige Weg zu bezahlbarem, guten und vielfältigem Journalismus.

Eine App sie zu bezahlen…

Mein Lösungsansatz ist folgender: Es gibt eine webbasierte Software, die einen fixen monatlichen Betrag kostet. Diese Software setzt ein einziges, geschütztes Identifizierungsmerkmal des Users und trackt damit seinen Medienkonsum. Dabei sollte sie sowohl die Auswahl der Medien, als auch die Verweildauer berücksichtigen. Am Ende des Monats wird der Fixbetrag auf die konsumierten Medien aufgeteilt.

Damit lassen sich gleich mehrere Probleme lösen:

  • Es benötigt nur ein Konto, statt zig properitäre Paywalls mit eigenen Konten
  • Tracking wird auf das nötigste begrenzt
  • Werbung mit all ihren Risiken ist kein Thema mehr
  • Guter Journalismus zahlt sich aus, da dann User öfter und länger mit dem entsprechendem Medium interagieren und Clickbait recht schnell rausfliegt
  • Man kann gezielt einzelne Artikel eines Mediums konsumieren, ohne gleich für ein Dauerabo zu zahlen

…eine für die Vielfalt

Spinnen wir den Gedanken weiter: Würde ein solches System existieren, könnte man darauf tolle Apps aufsetzen. Eine Idee, die mein Team bereits bis zum Prototypen gebracht hatte (und dann am Leistungsschutzrecht krachend aufgehalten wurde) ist ein intelligenter Feedreader.

Diese App könnte verschiedene Medien themenbasiert auslesen und somit zum Konsum mehrerer Medien mit unterschiedlichen Standpunkten zum gleichen Thema anregen. Wir haben uns vorgestellt, dass die Artikel mittels NLP interpretiert und verwandte Artikel aus anderen Medien als Lesevorschlag angezeigt werden. Das wäre ein Weg, die Filterblase zu vermeiden und einen Beitrag zur Bildung zu leisten.

Allerdings steht dem das Leistungsschutzrecht massiv entgegen, da mindestens eine Vorschau eingeblendet werden müsste. Effektiv verhindert dieses Gesetz also “guten” Konsum.

Meine Hoffnung: Dass es so kommt wie bei Musik

Die Musikindustrie ist den gleichen Weg gegangen, und es hat ihr, so meine Wahrnehmung, nicht geschadet. Ich, für meinen Teil, möchte gerne viele Artikel lesen. Aber aus verschiedenen Quellen – deshalb ist ein Micropayment auf Artikelebene in meinen Augen der richtige Weg. Gleichzeitig halte ich es für wichtig, diesen Prozess zu automatisieren und leicht zugänglich zu machen. Der oben beschriebene Weg löst diese Herausforderungen. Es wäre schön, wenn ein Big Player es aufgreifen könnte. Die Ideen hatten mein Team und ich – die finanziellen und vor allem die Lobbymittel hatten wir nicht.

Bildquelle: Verena N. / pixelio.de