Ich war ja sicher, dass ich diesen Blog schreiben würde. Den Anfang zu finden ist allerdings schwer.
Vor wenigen Minuten bin ich zurück ins Hotel, nach dem vierten Tag des 34C3. Auch heute habe ich einige interessante Vorträge gesehen. Die Themen reichten von Einsatz von Technik in der Landwirtschaft über Privacy Shield bis hin zu einem Ausblick, was in Sachen Security 2018 ansteht. Das ist aber nicht das Thema. Vielmehr möchte ich einen, vielleicht sehr persönlichen, Rückblick wagen.
Worlds collide
Als jemand, der aus einem eher konservativen Haushalt stammt, und dazu selbst politisch eher zentral als links zu verorten ist, ist der C3 erst mal eine harte Belastungsprobe für das eigene Weltbild. So viele verschiedene Menschen aus verschiedenen Gruppierungen, die sonstwo vielleicht eher als „Randgruppen“ gelten! Es sind auch tendenziell die Menschen, denen ich im Alltag weniger begegne. Insofern war dieser erste Eindruck für mich sehr intensiv. Aber es ist auch eine sehr gute Übung in Toleranz und Offenheit – etwas, was hier deutlich und klar gesagt UND gelebt wird. Nach dieser Eingewöhnungsphase habe ich eher mit Neugier auf die verschiedenen Erscheinungen (oder wie es in der Satzung des CCC heißt, Kreaturen) gesehen, die mir so begegneten.
Ah, I have seen this before!
Worauf ich zumindest eher vorbereitet war, waren die Assemblies in Halle 2. Ich habe genug LAN-Parties mitgemacht, um hier nicht völlig entgeistert zu stehen. Einiges kommt bekannt vor. Aber natürlich in einem völlig anderen, völlig irren Maßstab. Dutzende Nischen mit individuellen Dekorationen, blinkenden Lichtern, unzähligen Computern, Bastelecken und vielem mehr. Dazwischen Stände von Digitalcourage und anderen eher politischen Vereinigungen. Und weiter hinten in der Halle eine riesige Spielwiese für Kinder. Ob Bällebad, Sitzecke, NES-Emulator oder BobbyCars, meine Tochter hätte hier auch ihren Spaß gehabt.
Und das alles war mit einer unglaublichen Liebe zum Detail und einer riesigen Kreativität gemacht. Und natürlich lief Nyan Cat. Alles andere hätte mich auch enttäuscht.
Berührungsängste – allerdings auf meiner Seite
Dieser erste C3 war für mich eher der Probelauf für zukünftige Besuche. Ich kann klar sagen, dass ich mich noch nicht völlig auf dieses irre Tech-Utopia einlassen konnte. Das lag nicht an den Menschen, ganz im Gegenteil. Die wenigen, mit denen ich sprach, waren alle offen und freundlich. Allerdings war ich noch zu sehr mit meiner Beobachtung beschäftigt, und hatte mich auch nicht aktiv um Anschluss bemüht.
Zudem gibt es so viele Dinge, die mir vorher nicht klar waren. Das beginnt schon bei solchen Basics wie „was ist so die Aufteilung eines C3 (Assemblies, Vortragsräume, etc.) und was passiert darin?“, oder „was hat es mit den ganzen DECT-Telefonen auf sich?“. Ich bin mir sicher, diese Information, und auch die Möglichkeit vorher Anschluss für Noobs zu bekommen, sind verfügbar. Ich habe es leider angesichts eines proppenvollen Jahresendspurts aber nicht geschafft, mich vor dem Congress damit zu beschäftigen. Faktisch war ich bis Weihnachten ausgebucht. So rutschte ich ohne Infos oder Vorbereitung hinein – kombiniert mit meiner eigenen Unsicherheit angesichts der teils sehr unterschiedlichen Weltbilder und dem technischen Wissenslevel war ich etwas „hilflos“. Da ich mich schon eine Weile kenne, weiß ich nun, dass ich das nächste Mal bestimmt einfacher damit umgehen kann. Und mich vorher um Anschluss bemühe!
Unglaubliche Vorträge
Womit ich klar kam, war das Vortragsprogramm, und alleine das war die Reise wert. Diesen Teil des Congresses kenne ich aus meinem Alltag und fand mich gut zurecht. Ich habe in den vergangenen Tagen ja schon darüber gebloggt – ich kann nur noch einmal betonen, die Qualität der Speaker, ebenso wie die Umsetzung (Live-Streams, mehrere Sprachen, usw.) steht absolut keinem „professionell organisiertem“ Gegenbeispiel nach. Ganz im Gegenteil.
Wenn ich einen Fehler finden muss, dann nur, dass ausgerechnet das Theaterstück am dritten Tag in einem Saal stattfand, der flach war. Mit Tribünen hätten alle Zuschauer mehr sehen können. Das ist, und das will ich ganz klar sagen, aber Jammern auf allerhöchstem Niveau.
Danksagungen
Nach einem solchem intensiven Erlebnis (auch wenn ich, wie wahrscheinlich die erfahreneren Besucher nun sagen werden ja „noch gar nichts gesehen habe“) gibt es vielen zu danken:
- Dem Chaos Computer Club für dieses Event im Allgemeinen…
- …und dem Orgateam und allen Engeln (so heißen die freiwilligen Helfer) im Speziellen. Ihr habt einen Wahnsinnsjob gemacht!
- Den Speakern für spannende, inhaltsreiche und oftmals auch lustige Vorträge. An dieser Qualität können sich viele ein Beispiel nehmen.
- Dem Hersteller von Club Mate. Es war so schön jeden Tag mehrere Liter davon zu trinken und absolut nicht schräg angesehen zu werden. Und ich bekam eine von einem Einhorn serviert. Wieder ein Eintrag weniger auf meiner Bucket-Liste.
- Den Caterern, die dafür gesorgt haben, dass eigentlich jeder etwas leckeres zu essen hatte. Und für alle anderen, der McDonalds war 2 Minuten Laufweg entfernt.
- Linus Neumann, Constanze Kurz und all den anderen Mitgliedern des CCC, die technische Aufklärungsarbeit leisten und durch ihre Stellungnahmen Expertise für die Politik bereitstellen (einer von zwei Danksagungen, die ich nicht persönlich loswerden konnte – Linus habe ich z. B. zwei Mal gesehen. Einmal auf dem Klo, einmal im angeregten Gespräch. Beides erschien mir unpassend. Hätte ich das mit den DECT-Telefonen gewusst und kapiert, wäre es vielleicht anders ausgegangen 😉 )
- Tim Pritlove, der zweite, dem ich nicht persönlich danken konnte – für unzählige tolle Ideen, Anregungen und Tools, die ich regelmäßig nutze. Und ohne die ich gar nicht podcasten könnte.
- Und all denen, die ich gerade vergesse.
Auf Wiedersehen, Leipzig. Auf Wiedersehen, C3. Ich hoffe, ich darf Dich wieder sehen – und dieses Mal nicht nur als Beobachter.
Danke!