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Ich habe lange überlegt, ob ich zu diesem Thema überhaupt schreiben soll. Allerdings finde ich mich so oft in Diskussionen dazu wieder, dass ich mich besser fühle, es mal zu „Papier“ zu bringen.

Zudem ist das Thema gerade brandaktuell. In einigen Ländern wird Homöpathie mehr oder minder verboten, in anderen wird sie stark gepusht. Nicht zuletzt begegnet das Thema mir auch in meinem Privatleben zunehmend.

Was ist Homöopathie?

In kürzester Form handelt es sich dabei um eine durch Samuel Hahnemann entwickelte Lehre. Ihre Basisannahme ist, dass Krankheiten (oder genauer: Symptome) durch das Mittel kuriert werden können, das sie auch auslöst. Wenn auch in stark verdünnter Form.

Diese Mittel wurden durch wiederholte Verdünnung „potenziert“ und aufgrund eines „Gedächtnisses“ des Trägermittels seien sie dann, obwohl chemisch (praktisch) kein Ausgangswirkstoff mehr enthalten ist, dennoch wirksam. Oder sogar wirksamer.

Gleich vorab: Aus Sicht seiner Zeit und mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln hat Hahnemann nachvollziehbare Annahmen getroffen und versucht, sie systematisch zu belegen. Er hat also wissenschaftlich gearbeitet!

Ja, und was ist nun Dein Problem?

Bei aller Bewunderung und Anerkennung für die Arbeit Hahnemanns im Kontext seiner Zeit – nach allen neueren Erkenntnissen ist Homöopathie genau eines: Ein teures Placebo.

Und da ich leider dennoch, immer und immer wieder, mit den gleichen, sachlich falschen Argumenten angegriffen werden, würde ich gerne die Klassiker darunter noch einmal aufgreifen und klarstellen. Zudem stört mich ohne Ende, dass Homöopathie trotzdem auch institutionalisiert wird, bspw. durch die Legitimierung durch Senatorinnen, die es besser wissen müssten. Das ist für uns als Gesellschaft eine ernsthafte Gefahr. Und das hängt mit den angesprochenen Klassikern der Argumente von Homöopathie-Befürwortern zusammen:

“Ach, nimm es doch nicht so persönlich, es schadet ja auch nicht!“

Doch, das tut es. Nämlich immer dann, wenn aufgrund des Glaubens an Homöopathie nachweislich wirksame Therapien abgelehnt werden. Dadurch kommen Menschen zu Schaden – bis hin zum Tod. Ich finde das inakzeptabel und unentschuldbar. Jeder darf glauben. Wenn das Leben auf dem Spiel steht, sollte man wissen. Nicht glauben. Ich gehe wenn ich krank bin zu einem ausgebildeten Mediziner, nicht zur Oma der Nachbarin, weil die auf irgendwelche Mittelchen schwört. Klingt komisch? Nun, transferier es mal auf Dein Auto. Wenn das kaputt ist, gehst Du damit vermutlich auch nicht zu einem Priester, sondern zur Werkstatt.

Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man noch die Ironie darin erkennen, dass es in den USA vielleicht zu Todesfällen kam, weil homöpathische Mittel wider Erwarten Inhaltsstoffe enthielten.

Mal abgesehen von all dem, es schadet dem Geldbeutel. Bitte einfach mal kurz nachrechnen. Zucker ist einer von mehreren genutzten Trägern für Globuli. 1kg Zucker kostet sicher noch keine 2€. Wieviele Globuli kann ich daraus erstellen? Tausende, schätze ich. Und die kosten sicher keine 2€. Eher 200. Und laut dem, was ich so lese, auch sehr viel mehr als das.

“Wir verstehen es nur noch nicht, deshalb darfst Du es doch nicht unwirksam nennen!“

Doch, das darf ich. Die wissenschaftliche Methode, die einzige, die wir als Menschheit bislang kennen, die reproduzierbare und vor allem falsifizierbare Ergebnisse bringt, basiert genau auf dieser Prämisse: Eine Hypothese, ein System, wie es auch die Homöopathie ist, muss falsifizierbar sein. Indem sich die Befürworter gegen jede Kritik oder jeden Gegenbeweis immunisieren, indem sie behaupten, man verstehe es einfach noch nicht, wenden sie sich effektiv gegen den Schöpfer der Lehre. Hahnemann war Mediziner und Wissenschaftler – ob er das akzeptiert hätte?

Noch einmal zum mitschreiben: Wenn eine Hypothese im Raum steht, muss sie widerlegt werden können und dürfen. Und viele der Hypothesen der Homöopathie sind längst widerlegt. Wirkstoffe werden nicht wirksamer, wenn sie nicht mehr existent sind. Das widerspricht immer wieder, teilweise seit Jahrhunderten erneut belegten Naturgesetzen. Es gibt kein Gedächtnis des Trägers – denn wenn es das gäbe, wäre er bei der Herstellung mit so viel “hochpotenzierten Inhaltsstoffen” (lies: völlig natürlichen Verunreinigungen) in Kontakt gekommen, dass die Zahl der Nebenwirkungen gemäß homöopathischer Lehre komplett explodieren müsste.

Und Wirksamkeit darf keine Abhängigkeiten haben. Wenn es wirklich wirksam wäre, wäre es das bei jedem Menschen. Ohne, dass dafür Glauben erforderlich ist. Das ist auch nicht der Fall. Es gibt keine wissenschaftlich formal korrekt durchgeführte Studie, die eine Wirksamkeit über den Placeboeffekt hinaus belegt.

Wem das zu akademisch ist – bringt mir eine ganze Packung Eures „stärksten“ Homöopathikums und ich futtere sie gerne vor Euren Augen. Leider werdet Ihr dabei enttäuscht sein, denn es wird keine Wirkung haben.

“Aber es hilft mir doch immer!“

Nein, tut es nicht. Es geht Dir vielleicht besser, und das koinzidiert vielleicht mit der Einnahme von Globuli. Das reicht aber noch lange nicht, um einen kausalen, reproduzierbaren Zusammenhang darzustellen. Und schon gar nicht, um mit einer Stichprobe von 1 eine stichhaltige Hypothese für alle anderen Menschen aufzustellen.

Sind wir mal ehrlich. Die meisten Dinge, für die man Globuli einnimmt, wären vermutlich von alleine auch besser geworden. Denn meistens geht es dabei um Erkältungen oder ähnliches. Das, was wirklich passiert, ist dass Du Dich besser fühlst. Daraus einen kausalen Heilungszusammenhang konstruieren geht nicht.

Und jetzt noch ein paar ganz kurze Klassiker

  • “Aber wie kann es denn dann bei Kindern/Tieren wirken, die glauben da noch gar nicht dran?!? So, jetzt hab ich Dich!“ — Nein, hast Du nicht. Auch dieses Phänomen ist hinlänglich untersucht. Es hängt mit der positiven Erwartungshaltung des Verabreichenden zusammen, der sogenannte “Placebo-by-Proxy”-Effekt.
  • „Aber es gibt doch homöopathische Ärzte!“ — Auch Mediziner müssen ihre Brötchen verdienen. Da es eine Nachfrage gibt, die zudem kassenrechtlich komplett anders geregelt ist (lies: lukrativer), können sie so massiv ihre Einnahmen erhöhen. Das kann man werten wie man will. Fakt ist aber auch, der Begriff „Homöopathischer Arzt“ heißt übersetzt „Unwissenschaftlicher Wissenschaftler“. Das ist wie „Schwarzer Schimmel“, „Gerade Kurve“, oder ähnliches. Ein kurzer Lacher, aber in sich natürlich Blödsinn. Wer mehr aus Sicht eines Mediziners lesen will, dem sei Natalie Grams sehr ans Herz gelegt.
  • „Ja, aber wenn es doch nicht wirkt, warum bezahlen es dann die Kassen?“ — Nicht alle Kassen erstatten Homöopathie, allerdings zunehmend mehr. Ich halte das für bedenklich. Der Grund ist natürlich banal, denn auch Versicherungen sind Unternehmen. Die Nachfrage nach etwas zu befriedigen, verschafft ihr Kunden und damit Einnahmen. Ganz simpel.
  • „Aber die Politik und die Hochschulen engagieren sich doch auch dafür, dann muss doch was dran sein!“ — Nein, denn auch diese beiden brauchen etwas von den Kunden. Geld und Stimmen. Die kommen durch Studentenbeiträge und Homöopathie-Hersteller, die Lehrstühle finanzieren (übrigens lustigerweise das, was „Big Pharma“ (TM) immer vorgeworfen wird), oder durch Wählergruppen
  • „Das ganze ist aber doch günstiger, und solange es hilft…“ — Das dachten viele. Die Forschung legt nahe, dass es eben nicht so ist, sondern sogar teurer und unwirksam. Und nun ratet mal, zu wessen Lasten das geht? Richtig, dem der Beitragzahler
  • „Ist doch klasse, hat keine Nebenwirkungen!“ — Richtig, weil keine Wirkung

Gehts Dir jetzt besser?

Nein, nicht wirklich. Aber angesichts des konzentrierten Blödsinns mit unhaltbaren, falschen oder komplett verdrehten Argumenten, den ich zunehmend höre und lese musste es einfach mal raus.

Und mal unter uns: Es ist völlig ok, wenn jemand in seiner Freizeit Zuckerkügelchen einwerfen will. Es allerdings auf meine Kosten (ich zahle auch Krankenversicherung!) zu tun und Wirksamkeit, die klar widerlegt ist, zu propagieren, das ist nicht ok. Homöopathie ist ein Glauben, keine belegbare Lehre. Glauben gehört in die eigenen vier Wände und sollte niemand betreffen, der das nicht möchte. Dazu finde ich es extrem bedenklich, dass es „Lehrstühle“ dafür gibt und sich die Politik (der Treppenwitz schlechthin, eine für Wissenschaft zuständige Senatorin!) nicht davon distanziert.

Ich wünschte mir hier klare Ansagen, wie es sie schon in einigen anderen Ländern gibt. Glaube ist und bleibt eben Privatsache.

Es gibt viele Dinge, die einen handfesten und plausiblen Hintergrund haben. So gibt es beispielsweise Diskriminierung. Insbesondere bei der Einstellung von Mitarbeitern gibt es eine nachweisliche Tendenz, das ein Geschlecht (Frauen) und eine Altersgruppe (ältere) seltener Zusagen bekommen. Das ist leider Fakt. Aus diesem Grund wurde das AGG, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, geschaffen. Im vergangenen Jahr ist es zehn Jahre alt geworden. Natürlich wurde es nicht geschaffen, um explizit Frauen und ältere Arbeitnehmer zu schützen. Es soll jede Form der Diskriminierung zu bekämpfen, sowohl vor dem Berufseinstieg, als auch wenn man bereits tätig ist.

In der Realität hilft es weder Arbeitgebern…

Es gibt Fälle, in denen das AGG auch geholfen hat, echtes Unrecht zu bekämpfen. Diese waren auch in den Medien. Für diese war es dann auch gut, dass es eine Rechtsgrundlage gibt. Es ist nicht akzeptabel, zu diskriminieren – aus keinem Grund.

Ich beobachte jedoch für mich, dass leider oft keiner Gruppe ein Gefallen getan wird. Als Nachfolger und Arbeitgeber bedeutet das AGG, dass ich jederzeit mit der Gefahr einer Klage konfrontiert bin. Aus diesem Grund kann ich keinem Bewerber einen Grund nennen, warum er oder sie nicht eingestellt wurde. Natürlich gibt es viele Gründe, die nicht mal durch das AGG tangiert sind. Aber bevor man auch nur versehentlich etwas sagt, das vor Gericht falsch ausgelegt werden könnte, gibt es nur einen Weg. Das ist der, den alle Firmenanwälte gleichermaßen nahelegen, nämlich generell nie Begründungen zu nennen und alle Korrespondenz zu standardisieren. Denn das Risiko, alleine auf der Kostenseite, ist für den Arbeitgeber ungleich größer.

…noch Arbeitnehmern

Im Ehrenamt bin ich oft bei Bewerbertrainings an Schulen oder bei Bildungsträgern engagiert. Die Menschen, mit denen ich dort zu tun habe, sind die Empfänger der standardisierten Schreiben oder Mails. Ich werde oft gefragt, warum das so ist und erkläre dann die Lage. Zu Recht kommt dann oft die Frage, ob das sinnvoll ist – schließlich kann man doch ohne Feedback nichts verbessern. Und das ist leider absolut richtig!

Ohne Feedback zu Bewerbungen werden sie nicht besser. Share on X

Bewerbern wird kein Gefallen getan, wenn sie keine fundierten Informationen bekommen. So werden die Bewerbungen nicht besser, die gewünschten Branchen nicht passender und die Ansprache nicht attraktiver. Stattdessen bekommt man nur ein „nein, danke“ – obwohl das „warum“ eigentlich die entscheidende Information ist. Das Resultat ist, dass es eine ganze Industrie von Trainern gibt, weil kein Adressat gefahrlos sagen kann, was eigentlich nicht gepasst hat.

Hinzu kommt auch, dass es ja durchaus sein kann, dass ein Arbeitnehmer aus gutem Grund vielleicht mehr oder weniger verdient. Und zufällig Frau, älter und/oder Angehöriger einer religiösen Minderheit ist. Zum Beispiel, weil seine oder ihre Arbeit einfach besser ist, und das Unternehmen nicht tarifgebunden. In solchen Fällen kann das Gesetz sogar missbraucht werden, indem eine angebliche Diskriminierung vorgeschoben wird. Die Beweislast liegt, zumindest meiner Beobachtung nach, eher bei den Arbeitgebern.

Und es führt zu absurden Situationen

Im Endeffekt bedeutet es, dass Einstellungen nicht zustande kommen. Ob das der gewünschte Effekt war, der damit erzielt werden sollte? Vermutlich nicht. Ich fände es sehr viel wünschenswerter, wenn Menschen ein sinnvolles Feedback bekämen, dass ihnen erlaubt, sich weiter zu entwickeln. Ich fände es auch sehr viel besser, wenn ich als Arbeitgeber nicht Dinge erleben müsste, wie vor wenigen Wochen. Nach einer (standardisierten) Absage bekam ich kommentarlos den ersten Paragraphen des AGG geschickt. Glaubt irgendjemand, dass man auf diese Art einen Job bekommt?

Oder ist es nicht eher ein Fall des Missbrauchs, wenn ich annehmen muss, das die Bewerbung nie ernst gemeint war, sondern nur dazu dient, drei Monatsgehälter einzustreichen, indem man eine angebliche Diskriminierung vor Gericht durchficht?

Ich fände es toll, wenn es hier vielleicht eine Anpassung gäbe, die mehr Räume für Interaktion und Entwicklung schafft. Beispielsweise, indem fachlich/sachliche Begründungen, zu denen auch „schlechte Bewerbung“ (idealerweise mit Verbesserungsvorschlägen!) gehört, erlaubt werden. Natürlich könnte auch das dann missbraucht werden. Aber mindestens ich, und viele die ich kenne, würden liebend gerne konstruktives Feedback geben dürfen, ohne Angst vor negativen Folgen zu haben. Selbstverständlich freiwillig, denn eine Pflicht würde insbesondere große Firmen, die viele Bewerbungen bekommen, vor unlösbare Probleme stellen.

Diskriminierung ist Mist, Missbrauch von Gesetzen auch

Dass es keine Diskriminierung geben darf, regelt unser Grundgesetz schon lange. Dennoch ist es völlig richtig, das in Form eines klaren Gesetzes zu konkretisieren. Wenn dieses Gesetz jedoch im Endeffekt nicht vor Nichteinstellung, sondern vor Einstellung schützt, sollte man zumindest noch einmal nachsehen, ob es nicht Verbesserungsmöglichkeiten gibt.

Ich, für meinen Teil, würde mich freuen, wenn ich einfach mal schreiben könnte: „Heh, danke für die Bewerbung. Leider war diese nicht sehr gut. Mit sechs Rechtschreibfehlern auf einer halben Seite und einem falsch geschriebenen Firmennamen sind Deine Chancen leider recht gering. Schau doch einfach mal, ob Du nicht beim nächsten Mal sorgfältiger sein kannst. Egal, wie alt Du bist, welches Geschlecht Du hast, welche Religion, oder ob Du behindert bist. Freundliche Grüße“.

Der Besuch einer Podiumsdiskussion ist für Unternehmer und Nachfolger eigentlich Alltag. Weniger alltäglich ist es, selbst Teil des Podiums zu sein. Ich habe im letzten Jahr diese Erfahrung gemacht. Ich habe auch einige falsche Erwartungen daran. Vor diesen will ich Dich gerne bewahren, indem ich darüber einen (kurzen) Blogeintrag schreibe.

Der erste Fehler: Ich dachte, es ginge um das Thema

Mein erster Denkfehler war gleich der schwerwiegendste. Ich dachte nämlich, bei einer Podiumsdiskussion geht es um das angekündigte Thema. Angesichts des Ablaufs des Abends würde ich das mittlerweile kategorisch verneinen. Ich hatte mich gut vorbereitet, mich in aktuelle Artikel zum Thema eingelesen, mir meine eigenen Gedanken dazu gemacht… alles, was mir sinnvoll erschien.

Allerdings war ich damit (fast) alleine. Von dem, was ich mir an zentralen Thesen überlegt hatte, konnte ich exakt eine nennen, nicht einmal ausführen. Alles andere war verschwendete Zeit. Immerhin, das Leid teilten auch ein oder zwei andere Teilnehmer. Wenn man es genau nimmt, alle außer den beiden Politikern im Podium. Dass es soweit kam, lag auch am Stil.

Mein zweiter Fehler: Ich dachte, eine Podiumsdiskussion bedeutet Gespräch

Wenn ich an Diskussionen denke, habe ich wechselnden Austausch von Argumenten vor meinem inneren Auge. Was ich nicht damit verbinde, war der tatsächliche Ablauf: Statt nämlich eine These zu diskutieren (auf einem Podium gerne auch mit wechselnden Positionen, repräsentiert durch die verschiedenen Teilnehmer) wurde nicht eine These jemals diskutiert.

Jedes Mal, wenn die Chance bestand, begann ein langer Monolog eines Teilnehmers, der vielleicht bei einer These begann (sagen wir beispielsweise „Lehrer sind überlastet.“), und dann nach 10 Minuten bei etwas völlig anderem ankam (um im Beispiel zu bleiben: „Wussten Sie schon, dass das Paarungsverhalten der nordafrikanischen Schwarzameise große Ähnlichkeit mit dem Backen einer Schwarzwälderkirschtorte aufweist?“). Bis dahin hatte jeder im Raum den Ausgangspunkt vergessen. Vorausgesetzt, er oder sie war noch wach. Dazu trug die dritte Beobachtung maßgeblich bei.

Meine dritte Erkenntnis: Podiumsdiskussionen stehen und fallen mit der Moderation

Ich halte Moderation für unheimlich wichtig, und an diesem Tag wurde es bewiesen. Es ist kein großes Geheimnis, dass Politiker gerne mal mehr und durchaus auch gemäß ihrer eigenen Agenda reden. Umso wichtiger ist eine konsequente Moderation. Was meine ich damit?

Nun, das beginnt bei der Einhaltung der angekündigten Redezeiten für die Impulse – das ist nicht passiert, kein Impuls wurde direkt oder indirekt unterbrochen. Das Ergebnis: Statt eines Impulses gab es eine Wahlkampfrede von im Schnitt doppelter Dauer, mit homöopathischem Bezug zum Thema des Abends.

Es geht weiter bei der Gestaltung einer Diskussion. Statt nacheinander Podium und Publikum abzuarbeiten gehört es dazu, Diskussion zu ermöglichen, indem auch mal ein Austausch zu einem Punkt passiert. Fazit des Abends: Zu keinem Zeitpunkt in rund drei Stunden gab es jemals die Möglichkeit, nach These und Gegenthese (egal in welcher Qualität) noch einmal zu antworten – weil die Moderation das konsequent unterbunden hat. Und nein, das ist keine Übertreibung zur Veranschaulichung. Nicht ein einziges Mal!

Und es geht auch um die repräsentative Gestaltung der Redeanteile. Wenn man fünf Personen im Podium hat, aber deutlich mehr als 80% (nein, auch das ist leider nicht übertrieben) der Redeanteile auf die zwei Politiker entfällt, stimmt etwas nicht.

Last, but not least, mindestens die Moderation sollte das Thema des Abends im Kopf haben und es auch mit gezielten Fragen vorantreiben. Du ahnst es sicher: Fehlanzeige. Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Hätte man an dem Abend einen Kleiderständer nach vorne gestellt, wäre die Moderation weder besser noch schlechter gewesen. Sie war schlicht nicht existent.

Was will ich Dir damit sagen?

Es ist völlig klar und auch sinnvoll, das Podien mit bestimmten Rollen im Hinterkopf besetzt werden. Es schadet auch nichts, in einer dieser Rollen mal zu polarisieren.

Meine Rolle an diesem Abend war aber nicht, wie angekündigt, die des Unternehmers und Arbeitgebers, sondern die des Steigbügelhalters Schrägstrich Wahlkampfhelfers und Zielscheibe für ziemlich falsche Unternehmerstereotype. „Lustig“, dass die ausgerechnet durch einen Politiker vorangetrieben werden, dessen Einkommen und Altersvorsorge ich durch meine Arbeit mit zahle. Angesichts dieses verschwendeten Abends zu einem eigentlich unheimlich wichtigen Thema braucht sich niemand zu wundern, wenn Menschen wie ich politikverdrossen sind.

Was ist nun mein konkreter Rat an Dich als Teilnehmer? Ich habe zwei. Erstens, sei Dir Deiner Rolle bewusst und leb damit – oder sag ab. Und zweitens, informiere Dich vorher intensiv über Veranstalter, Moderation und deren Verbindungen. Dann bleibt Dir das frustrierende Debakel vielleicht erspart.

Und für Dich als Veranstalter? Such Dir eine fähige, durchsetzungsstarke und informierte Moderation. Damit steht und fällt die inhaltliche Qualität Deiner Veranstaltung. Außer natürlich, die war Dir von Vornherein egal.

Na, hast Du das vielleicht auch schon einmal erlebt? Als Gast, Veranstalter oder Mitwirkender? Erzähl mir davon in den Kommentaren, alternativ per Mail!

Der Titel mag belustigend klingen, für mich ist Politikverdrossenheit aber ein sehr reales und damit trauriges Thema. Denn eigentlich ist mir Politik sehr wichtig. Ich komme aus einem politisch interessierten Haushalt. Das hat sicherlich dazu beigetragen. Wir haben am Küchentisch oft politische Themen besprochen und darüber diskutiert. Mein „Aha“-Erlebnis war allerdings ein Buch.

Ein Freund aus England gab mir Hidden Agendas von John Pilger (Affiliate Link) zu lesen. Nun stimmte ich schon damals nicht politisch mit dem Autor überein. Das spielte aber keine Rolle. Wichtiger war, mit welcher Überzeugung er diese Themen, die nicht im Fokus der Politik standen, befeuerte. Spätestens da war mir klar, welche Macht (und Obligation) Politik hat, nämlich Zukunft zu gestalten. Und mir war klar, dass ich Journalist werden wollte und damit meinen Teil beitrage. Unrecht aufdecken und bekämpfen, als vierte Macht im Staat mit gestalten und Wissen verbreiten.

Voll auf Kurs

Der Entschluss stand also recht früh fest, und das zum Leidwesen meiner Eltern („Brotlose Kunst“ – in manchen Punkten sind alle Eltern, denke ich, gleich): Ich würde Politik studieren. Der Politik-Leistungskurs war natürlich Pflicht. Die Auseinandersetzungen darin geradezu episch. Stundenlang wurden politische Themen heiß diskutiert. Unsere Lehrerin, die ganz neu an der Schule war, hatte an manchen Tagen ihre liebe Mühe, uns zu bändigen.

Nach dem Wehrdienst ging ich, wie geplant, studieren. Politik natürlich. Dass ich nicht Journalist wurde, liegt zu großen Teilen daran, dass ich stattdessen plötzlich Nachfolger war und darin eine riesige Chance gesehen habe, etwas wichtiges zu erhalten und weiter zu entwickeln. Zukunft zu gestalten, also, im kleinen Umfang. Mein Interesse an dem Thema hat es nicht geschmälert. Zumindest anfangs nicht.

Gestaltung? Nein danke!

Mittlerweile ist das anders. Die Zukunft zu gestalten ist für mich der zentrale Aspekt, das Ziel guter Politik. Und davon sehe ich seit vielen Jahren effektiv nichts. Stattdessen verwaltet eine Gruppe Menschen, die zudem noch relativ homogen ist (jedenfalls homogener als die Bevölkerung), die Gegenwart. Von allen wichtigen Zukunftsthemen hält man sich, so mein Eindruck, so fern es geht. Denn die nächste Wahl steht meist direkt bevor. In Kommune, Land oder Bund, irgendwo ist immer Wahl – und damit ein Grund, lieber die „low hanging fruits“ zu greifen. Nur ist das nicht der Anspruch, den ich an Politik habe. Ich wünsche mir Menschen, die auch auf die Gefahr hin, nicht mehr gewählt zu werden, das richtige tun. Das, was notwendig ist, damit die Zukunft besser wird. Stattdessen erlebe ich seit Jahren faktischen Stillstand.

Mir ist, als Politologe, völlig klar, dass Kompromisse Bestandteil einer Demokratie sind. Als Unternehmer und Nachfolger spricht für mich auch nichts gegen kleine Schritte. Aber natürlich nur unter der Bedingung, dass es immer wieder kleine Schritte sind. Iterativ ist in Ordnung, per Definition bedeutet das aber auch, dass ein Schritt nach dem anderen kommt, nicht dass der kleine Schritt das abschließende Endergebnis großer Verhandlung ist.

Der kleine Schritt darf nicht das abschließende Endergebnis der großen Verhandlung sein. Share on X

Realität und Politik sind offensichtlich zwei Welten

Hinzu kommt das Gefühl, dass Berufspolitiker generell in einer eigenen Sphäre schweben. Diese hat nur recht wenig mit meiner Lebensrealität zu tun. Das ist, teilweise, in allen Berufen so. Allerdings ist Politik eben nicht ein Beruf wie jeder andere. In einer repräsentativen Demokratie sollen diese Menschen die Bevölkerung vertreten. Insofern dürfen sie nicht völlig abgekoppelt sein, um diese Aufgabe zu erfüllen.

Beispiele gibt es dafür zuhauf. Ich ärgere mich, wenn aufgrund politischer Erwägungen die eigenen Werte oder Ankündigungen komplett unterlaufen werden. Die Begründung, es gäbe politische Realitäten, kann ich nicht akzeptieren. Wo ist denn die rote Linie, die vorher immer wieder versetzt wurde, wenn nicht dort, wo unsere Kernwerte in Frage stehen? Was ist, wenn ich als normaler Bürger so handele? Oder als Unternehmer? Dann bin ich völlig unglaubwürdig. Ich wünsche mir zumindest den Anstand, dass das, was gesagt wird, dann auch getan wird. Dieser fehlt mir seit Jahren.

Oder die Frage von Einnahmen und Ausgaben. Als normaldenkender Mensch ist mir klar, dass ich beides im Lot halten muss. Dank der niedrigen Zinsen ist unser Haushalt ja auch gerade wieder dort – und statt diese tolle Lage auszunutzen, wird über die nächste Erhöhung von Steuern, Abgaben oder Gebühren gesprochen. Es ist völlig inakzeptabel, dass auf der Ausgabenseite immer weiter erhöht wird, statt mal dort anzusetzen. Einsparpotenziale gäbe es wahrlich genug. Das zeigt das Schwarzbuch des Steuerzahlerbunds jedes Jahr, und der gesunde Menschenverstand auch. Ich zahle für alles mögliche Steuern und Gebühren, und ich zahle sie gerne. Denn es gibt in diesem Staat eine funktionierende und gute Infrastruktur. Zudem biete ich Menschen Arbeit und ermögliche somit auch anderen, Steuern zu zahlen. Das ist alles schön und gut, aber das Maß ist, für meine Begriffe, voll. Es gibt unendlich Einsparpotenziale. Und eines davon ist das System selbst.

Selbstverstärkendes System Politik

Politik ist ein Beruf. Ob das richtig ist, sei dahingestellt. In einer idealen Welt fände ich es gut, wenn es Berufung ist. Bleiben wir in der Realität, hat das aber Implikationen. Da Politiker über maßgebliche Dinge entscheiden (als Beispiele seien nur mal Posten, Aufträge oder Diäten genannt), die unmittelbar sie selbst betreffen, ist die Ausgabenspirale ein selbstverstärkendes System.

Es macht mich einfach nur wütend zu hören, dass kurz vor einer Wahl noch alle möglichen Parteifreunde befördert und auf Posten gesetzt werden, in denen sie unkündbar und gut abgesichert sind. Und da diese dann über die nachfolgenden Menschen mit bestimmen, dreht sich diese Spirale endlos. Es gibt Menschen in unserem politischen System, die nur das kennen, die noch nie etwas anderes gesehen haben. Die Konsequenz daraus ist, dass dieses System keine Erneuerung von außen bekommen kann. Es dreht sich nur um sich selbst und nimmt keine externen Impulse auf. Das ist, auf lange Sicht, der Tod des Systems.

Wenn sich ein Unternehmen nur noch mit sich selbst beschäftigt, aber die Kunden und restliche Außenwelt ignoriert, ist es klar, wohin es führt. Die aktuellen Wahlergebnisse, die vorher nicht mal denkbare Realität, dass Donald Trump Präsident der USA wurde, all das ist kein Zufall. Es ist das Ergebnis der Wahrnehmung, dass Politik und Realität der Menschen nur wenige Berührungspunkte haben.

Das Menschenbild mancher Politiker ist auch zweifelhaft

Vielleicht trägt dazu auch bei, dass es umgekehrt nicht anders wahrgenommen wird. Mir ist völlig schleierhaft, warum die Einstellung von 1600 Inspektoren zur Kontrolle des Mindestlohns notwendig war. Ich kenne kaum einen Unternehmer, der tatsächlich gegen Mindestlohn ist. Und nicht einen, bei dem eine Kontrolle irgendwas zu Tage fördern würde. Nur die Bürokratie müssen wir ausbaden. Selbst betrifft es mich dankbarerweise kaum – ich habe “nur” drei Monate Zeit und vier verschiedene Anlaufstellen gebraucht, um abschließend zu klären, ob ein bestimmtes Praktikum mindestlohnpflichtig ist, oder nicht. Das sagt viel darüber aus, wie viel Bürokratie wirklich dabei ist. Die Einstellung der Inspektoren sagen mir letztlich nur eines: „Hallo, schön dass Du Arbeitsplätze schaffst und (mehrfach) Steuern zahlst. Ist auch nett, dass Du meinen Lohn und meine Altersvorsorge mitträgst. Ach, übrigens, ich traue Dir nicht. Also führ brav Buch und wenn Du auch nur einen, vielleicht unabsichtlichen, Fehler machst, steht schon mein Inspektor bereit“. Das ist keine gute Basis für die Zusammenarbeit.

Ich denke es gäbe genug Bereiche, wo 1600 schnell bewilligte Stellen mehr bringen. Kindertagesbetreuung, die immer noch nicht in der Realität des 21. Jahrhunderts angekommen ist, zum Beispiel. Oder in Sprachkursen für Flüchtlinge. Es gibt da eine Menge Optionen. Die gewählte erschließt sich mir jedenfalls nicht.

Und warum machst Du es nicht besser?

Diese Frage habe ich mir schon öfter gestellt. Ja, ich habe mit dem Gedanken gespielt. Ich glaube aber, dass der Preis, den ich dafür zahle, zu hoch ist. Auf kommunaler Ebene kann man noch als Einzelkandidat etwas erreichen. Ab Landesebene ist es ohne Partei illusorisch.

Nun kenne ich viele Menschen, die in Parteien sind, und lese auch die Aussagen von Politikern, die sich damit decken: In einer Partei ist der echte Diskurs nicht wirklich oder nur sehr begrenzt gewünscht. Es geht nicht darum, was Du zu sagen hast, oder was Du kannst, sondern darum, ob Du die Partei lange genug unterstützt hast. Etwas plakativ, klebe Plakate, dann darfst Du mal Delegierter sein, dann in den Vorstand, dann vielleicht in die Landespolitik, dann die Bundespolitik… Das möchte ich nicht.

Ich möchte nicht Positionen vertreten, die ich für Quatsch halte, nur weil sie so beschlossen wurden. Ich möchte nicht an meinem Einsatz für den Verein gemessen werden, sondern an dem, was ich sage und vor allem tue. Und, am wichtigsten, ich will Dinge bewegen – das ist das, warum ich gerne Unternehmer bin. Ich kann gestalten, das System verändern, eine bessere Zukunft schaffen. In kleinem Rahmen, zugegeben. Aber ich finde mich darin wieder.

In einem System, in dem Zeit und Unterstützung der „richtigen“ Personen mehr zählt als Inhalt sehe ich mich nicht. Wenn die einzige Chance, in eine gestalterische Position zu kommen ist, vorher diese Gestaltungsmöglichkeit lange Zeit aufzugeben, passt das für mich nicht.

Und so wurde aus mir ein politikverdrossener Politologe

Ich finde das eigentlich alles traurig. Ich habe mittlerweile keine Lust mehr auf die Nachrichten, auf politische Diskussionen oder die nächste Wahl. Wenn man bedenkt, von welchem Interessensniveau ich komme, sollte es einem Angst und Bange werden. Was ist denn dann mit all den Leuten, die Politik eh schon skeptisch sahen?

Aber was ist zu tun? Nun, zuallererst vielleicht mal sehen, dass es ein Problem gibt. Das ist, solange es uns gut geht, vielleicht schwer. Aber wichtig. Und dann mal etwas größer denken.

Ich zum Beispiel würde sehr ernsthaft mal darüber nachdenken, die Zeit als Politiker generell zu begrenzen. Und auch die daraus resultierenden Versorgungszahlungen. Beides zum Beispiel auf zwei Legislaturperioden. Das könnte helfen, dem System mehr frisches Blut zuzuführen und die Folgen schlechter Entscheidungen, die es immer geben wird, abzumildern. Mal abgesehen davon könnte man dann viel öfter von interdisziplinären Teams und neuen Denkansätzen profitieren.

Oder endlich mal über einen großen Wurf bei den Steuern nachdenken, statt immer neue einzuführen oder sie zu erhöhen. Ich fand die Idee von Flat Tax immer reizvoll, und auch sehr gerecht. Ohne dazu Zahlen oder Expertise zu haben denke ich, dass bei gleichzeitiger Abschaffung aller Ausnahmeregelungen sogar gleich viel oder mehr im Staatssäckel landen könnte. Und wir würden unendliche Mengen an Geld sparen, die derzeit in der zugehörigen Bürokratie stecken. Vielleicht ist auch die Art der Steuern zu überdenken. Ich bin beileibe kein Fachmann, aber die gibt es ja durchaus.

Das sind nur zwei Denkansätze, die natürlich nicht ausgefeilt sind. Jede Veränderung beginnt aber mit einem Impuls. Ich glaube, es wird Zeit für größere Änderungen, sonst gibt es irgendwann das, was man gestalten wollte, gar nicht mehr.

 

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Kürzlich habe ich mit Dr. Thomas Pitz, dem Leiter des Gründerzentrums der IHK Saarland gesprochen. Das Gespräch gibt es seit 1. Dezember 2016 auch in Form eines Podcasts auf Follow-Up.fm.

Er hat darin den idealen Ablauf einer Unternehmensnachfolge geschildert. Und ich habe mir währenddessen überlegt, was in der Realität alles schief gehen kann. Das ist meiner Erfahrung nach eine ganze Menge, insbesondere auch abseits des Themas Geld. Vieles erkennst Du nämlich erst, wenn die finanziellen Fragen alle schon geklärt sind.

Der Idealfall einer Nachfolge

Die ideale Nachfolge beginnt lange, bevor sie vollzogen wird. Die IHK empfiehlt ein Alter von 55 Jahren, um mit den Vorbereitungen zu beginnen. In aller Regel dauert sie dann auch mehrere Jahre, in denen die „Regler am Mischpult“, ein sehr schönes Bild von Dr. Pitz, ihre Position vertauschen: Der eine wird langsam heruntergefahren, der andere hoch.

Idealer Ablauf der Unternehmensnachfolge: Ein Regler hoch, der andere runter

Idealer Ablauf der Unternehmensnachfolge: Ein Regler hoch, der andere runter

Es gibt aber auch weitere Bestandteile einer perfekten Unternehmensnachfolge:

  • Einigkeit in Sachen Strategie
  • Eine optimale Finanzierung
  • Das Unternehmen ist gesund
  • Man hat gute Beratung
  • Das Team ist motiviert und steht der Nachfolge positiv gegenüber
  • Es gibt erfolgreiche Produkte und Dienstleistungen
  • Der Übergang, insbesondere der Zeitpunkt, ist klar definiert

Wenn das alles so zutrifft, ist es sicherlich toll. Allerdings halte ich es für recht unrealistisch. Diese Einschätzung wird auch von der IHK geteilt. Dazu kommt, dass der Idealtypus ein Wasserfallmodell ist. Es gibt definierte Schritte, jeder folgt auf den anderen. Meiner Erfahrung nach spielt die Realität dabei aber meist nicht mit, weshalb das Wasserfallmodell zur Planung einer Nachfolge auch nicht gerade ideal ist.

Die Realität kann komplett anders sein – fünf Beispiele

Ich habe kürzlich diese wunderbare Infografik bei Entrepreneur.com gesehen. Sie zeigt, woran StartUps scheitern, und was Experten dazu sagen.

Ausschnitt aus Infografik "Why startups fail" - Ein Klick auf das Bild öffnet das vollständige Original

Ausschnitt aus Infografik “Why startups fail” – Ein Klick auf das Bild öffnet das vollständige Original

Viele der genannten Punkte lassen sich eins zu eins auf die Unternehmensnachfolge übertragen. Ich kann fünf Beispiele aufzeigen, die ich selbst erlebt habe:

  1. Konflikt zwischen Vorgänger und Nachfolger, gerade in Familienunternehmen
  2. Uneinigkeit in Strategie und der Bewertung von Produkten, Dienstleistungen oder des Teams
  3. Eine schlechte wirtschaftliche Situation
  4. Demotivierte Teams
  5. Ungeplante Nachfolge ohne Regelung, beispielsweise durch einen Todesfall

Uneinigkeit und ihre Folgen

Generell ist es ja schon im normalen Familienleben manchmal schwer, gut miteinander aus zu kommen. Eltern und Kinder haben Konflikte, das ist völlig normal. Zuhause kann man sich aber aus dem Weg gehen. Wenn Mutter oder Vater allerdings auch noch der eigene Chef oder die eigene Chefin sind, wird es schwierig.

Meine Erfahrung ist, dass es eigene Kinder im Familienbetrieb tendenziell schwerer haben. Sie müssen sich nicht nur dem Team, sondern auch den Eltern gegenüber besonders beweisen. Es ist dabei eine konstante Verlockung, in diesem Konflikt billige Treffer zu landen – schließlich kennst Du die Schwachstellen Deiner Eltern viel besser als ein Fremder. Aus den Gesprächen mit meiner Mutter weiß ich, dass das umgekehrt genauso gilt. Vielleicht kennst du es ja auch. Dieser Versuchung musst Du unbedingt widerstehen! Leider bleiben diese Konflikte nicht folgenlos, wenn es um die Nachfolge geht. Verletzte Gefühle sind fast ein Garant für schlechte Entscheidungen.

Meine Strategie und meine Ansicht sind aber die besten!

Einer der entscheidenden Streitpunkte, den nicht nur Nachfolger in Familienbetrieben, sondern auch Fremdnachfolger mit den Inhabern haben, ist die Strategie und die Bewertung von Produkten oder Mitarbeitern. Wo Herzblut drin steckt, ist es vielleicht auch zu viel verlangt, es emotionslos zu bewerten. Allerdings sind die möglichen Folgen gravierend. Fehlentscheidungen hier können eine Firma ruinieren.

Deshalb plädiere ich vor allem dafür zu akzeptieren, dass es nicht nur eine Strategie, die von Vornherein festgelegt werden kann gibt. Es gibt verschiedene Wege und Ansichten, die in der Zukunft Erfolg bringen können. Dazu muss die eigene Ansicht aber auch dauernd hinterfragt und bei Bedarf angepasst werden.

Wirtschaftliche Schwierigkeiten sind ein Einstieg in einen Teufelskreis

Unternehmen können sich, auch zum Zeitpunkt einer Nachfolge, in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden. Leider gibt es nur wenige Firmen, in denen es konstant nach oben geht.

Der Altinhaber trägt dazu meist sogar indirekt bei, vielleicht auch ohne es zu merken. Schlechte Zahlen, mangelnde Liquidität oder Rentabilität, sind kein Ende einer Prozesskette, sondern ein Element eines Teufelskreises. Wenn Produkte oder Dienstleistungen nicht mehr gut laufen, werden die Investitionen meist zuerst zurückgefahren. Dadurch bilden sich Investitionsstaus, wodurch keine guten Produkten oder Dienstleistungen mehr geschaffen werden können. Bei der Übernahme bist Du dann als Nachfolger in einer Zwickmühle, denn Du brauchst Kapital. Sowohl, um die aktuelle Liquidität zu sichern, als auch den Investitionsstau zu bekämpfen. Das schafft natürlich besonderen Druck.

Schlechte Ergebnisse -> sinkende Investition -> schlechte Ergebnisse -> demotiviertes Team Share on X

Hinzu kommt, das diese Art Situation meist auch direkt auf das Team wirkt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten ja nicht im „luftleeren Raum“. Geht es dem Unternehmen schlecht, führt das auch in aller Regel zu schlechter Stimmung im Team. Nicht die ideale Ausgangsvoraussetzung für einen Turnaround.

Viele Nachfolgen sind eben nicht geplant

Eine Tatsache, die auch manchmal übersehen wird, ist, dass die perfekt geplante Nachfolge leider oft nicht vorkommt. Ich habe es erlebt, weil mein Vater überraschend starb. Selbstverständlich gab es keine ausformulierten Nachfolgepläne. Es gab auch keine Möglichkeit, sich dann noch auszutauschen und vielleicht Rat zu Strategie oder Bewertung einzuholen. Und das Team dabei behutsam „mitzunehmen“ ist auch innerhalb eines Monats nicht möglich.

Meine fünf Beispiele sind auch nicht die einzig denkbaren. Es gibt noch viele Punkte, in denen die Unternehmensnachfolge nicht ideal ablaufen kann. Selbstverständlich kommen auch noch firmenindividuelle Herausforderungen obendrauf.

Du siehst, Nachfolge auf dem idealen Weg ist vielleicht eher selten. Das ist aber nicht schlimm. Jede Herausforderung kann gemeistert werden, solange man sich dessen bewusst macht und sich darauf einstellt.

Was Du als Nachfolger deshalb bedenken solltest

Vieles von dem, was ich geschrieben habe, klingt jetzt ein wenig so, als ob der eigene Plan egal sei. Schließlich gibt es so viele Gründe, warum er nicht aufgehen kann. Das ist falsch.

Es gibt die Redensart „Failing to plan is planning to fail“. Das ist auch hier völlig richtig. Allerdings darfst und sollst Du nicht davon ausgehen, dass Dein erster Plan exakt aufgeht. Auch der zweite wird es nicht, und auch die dritte Iteration nicht. Um ganz genau zu sein, Dein Plan wird vermutlich nicht mal den ersten Tag überleben. Und auch Jahre später wirst Du ihn weiter anpassen. Zum Beispiel habe ich über mehrere Jahre Arbeit in ein Produkt investiert, an dessen Wachstum ich glaubte. Leider trat das aber nie ein, und so habe ich, wenn auch zähneknirschend, erst im sechsten Jahr meiner Nachfolge den Plan diesbezüglich geändert.

Anpassungsfähigkeit ist von zentraler Bedeutung

Das ist nur ein Beispiel von hunderten, wenn nicht sogar tausenden, kleinen Anpassungen meines Plans. Die Realität hält sich leider nicht an Deine Pläne. Und darin liegt, meiner Meinung nach, auch das ganze Geheimnis im Umgang mit der Nachfolge: Iteratives Vorgehen, ein Zyklus aus planen, durchführen, evaluieren und anpassen, ermöglicht erfolgreiche Übergaben – und zwar in jeder Situation. Das ist beste StartUp-Schule und hat maßgeblich dazu beigetragen, dass wir es trotz vielen kleinen und großen Herausforderungen geschafft haben.

Das Geheimnis erfolgreicher Nachfolge: Ein Zyklus aus planen, tun, evaluieren und anpassen. Share on X

Vielleicht noch ein Wort zum Thema Beratung. Es gibt für fast alle Bereiche, von Strategie über Finanzen bis hin zur Entwicklung, Berater. Diese Menschen haben meist großes Wissen und viel Erfahrung. Deshalb kannst Du geneigt sein, ihrem Urteil und Rat zu folgen. Dagegen spricht auch nichts. Nur denk daran, dass egal, wieviele Situationen der Berater oder die Beraterin bereits gesehen hat, es nie genau Deine Lage war. Und letztendlich ist nur genau ein Mensch verantwortlich. Das bist Du.

Kennst Du noch weitere Situationen, bei denen die Nachfolge nicht nach Plan verlief? Lass mich davon wissen!

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