Die Frage, wer man, politisch gesehen, ist (oder sein will), entscheidet über vieles. Die Partei, die Arbeitsgruppen, die Fraktion, die Karrierechancen…

In einem Wahljahr wie diesem denke ich viel darüber nach. Ich habe gemerkt, dass meine politische Identität eher einer gespaltenen Persönlichkeit gleicht.

Wie Menschen eingeordnet werden

Der bekannteste Weg zur schnellen Einordnung ist das Rechts-Links-Schema. Ursprünglich kommt es aus der Sitzordnung des Parlamentes in der Frankfurter Paulskirche. In dieser saßen die Abgeordneten konservativer Parteien rechts, während die progressiven Parteien eher links angesiedelt waren.

Das Schema hat bis heute überlebt. So (war) ist die CDU tendenzielle eine rechte (konservative) Partei, die SPD dagegen eher eine linke (progressive) Partei. Andere haben diese Einordnung sogar im Namen, beispielsweise die Linkspartei.

Dazwischen gibt es, zumindest in der Geschichte der Bundesrepublik, noch die Mitte, in der traditionell die liberale Partei zu finden ist. Mit dem Übergang zu einem Parteiensystem, in dem mehr als drei regelmäßig vertreten sind, gibt es eine beobachtbare Tendenz dazu, dass auch die großen Parteien versuchen, sich eher als „mittig“ einzuordnen, um damit möglichst viele Wähler anzusprechen. Das ist aber nicht Thema dieses Beitrags – vielmehr geht es mir, ganz egoistisch, um mich.

Ich war mal Mitte – was bin ich jetzt?

Ein kleiner Disclaimer vorab, ich war mal Mitglied der FDP, bin jedoch im inhaltlichen Streit um Datenschutzfragen aus der Partei ausgetreten.

Seitdem beobachte ich Debatten als politisch interessierter (und oft verdrossener) Bürger. Als Nachfolger und Unternehmer werden mir, ganz vorurteilsgemäß, bestimmte Positionen von Vornherein von Dritten unterstellt. So muss ich in dieser Rolle qua Amt für die Liberalisierung des Arbeitsmarktes, gegen Sozialleistungen und gegen Steuern und Abgaben sein. Und vieles weitere mehr.

Schade nur, dass diese Vorurteile Quatsch sind. Ich würde jetzt gerne sagen, „meine Identität ist … “, allerdings kann ich auch das nicht. Denn es ist nicht eindeutig. In einigen Positionen bin ich konservativ (z. B. in der Frage, welche Anforderungen an Zuwanderung zu richten sind), in anderen klar liberal (insbesondere was die persönlichen Freiheits- und Abwehrrechte gegenüber dem Staat anbelangt), und in wieder anderen bin ich links (ich bin zum Beispiel Verfechter des Mindestlohns).

Pragmatismus und Überzeugungen – sind sie widersprüchlich?

Was bedeutet das nun für die Debatte? Zum einen bedeutet es, dass ich mich mit Parteien schwer tue. Klar, es gibt innerparteiliche Demokratie (meistens). Das Abstimmungsverhalten zeigt aber auch, dass es dann eben doch keine Gewissens-, sondern eine Fraktionsfrage ist.

Zum anderen bedeutet es für mich, dass der Rechts-Links-Narrativ ausgedient hat, denn in Gesprächen merke ich, dass diese Beobachtung nicht nur auf mich zutrifft.

Ein überzeugter Parteiangehöriger, egal welcher Partei, mag das als opportunistisch oder prinzipienlos sehen. Ich sehe es dagegen eher als Pragmatismus – oder das Prinzip, vernünftige Dinge nicht abzulehnen, nur weil sie nicht aus dem richtigen Mund kommen. Ich wünschte mir, die Politik könnte diesen Schritt auch tun. Eindimensionale Kategorien helfen uns nicht bei der Gestaltung einer multidimensionalen Wirklichkeit.

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