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Wir sind kürzlich von einem zweiwöchigen Urlaub aus Florida zurückgekehrt. Für mich war es das erste Mal USA als Erwachsener – und ein in vielerlei Hinsicht spannendes und bereicherndes Erlebnis. Meine wesentliche Erkenntnis: Es geht um das Wörtchen “aber”.

Natürlich ist Florida nicht alles

Mir ist natürlich klar, dass die Eindrücke von einem Urlaub in einem von 50 Bundesstaaten nicht repräsentativ ist. Die USA sind schlicht riesig. So sehr, dass es manchmal schwer fällt, es als Europäer richtig einzuordnen. Für meine Tochter habe ich mal nachgesehen: Die Strecke von Los Angeles an der Westküste bis New York an der Ostküste (also alles in einem Land) ist ungefähr die gleiche, wie von Lissabon nach Moskau. Das sind Dimensionen, die mal als Deutscher kaum verstehen kann.

Somit ist auch klar, dass viele der 50 Bundesstaaten auch sehr heterogen sind und ich freue mich darauf, noch mehr davon zu erleben. Gleichwohl kann ich dennoch, auch mit diesem einen Besuch, ein paar Dinge, die in meinem Kopf verankert waren, zurechtrücken. Denn viele Annahmen, die ich aufgrund von Berichten und Einordnungen getroffen habe, waren schlicht nicht zutreffend – oder mindestens teilweise falsch. Das echte Erleben hat mich zum Nachdenken angeregt.

Aber der Sozialstaat!

Wir sind in Deutschland zu Recht stolz auf unsere soziale Marktwirtschaft. Dass hier jemand auf der Straße landet, wenn er oder sie krank wird, ist praktisch ausgeschlossen. Gleichwohl kann man durchaus der Ansicht sein, dass dieser Sozialstaat ausgeufert ist.

In den USA ist das Gegenteil oftmals der Fall. Eine Sozialhilfe bzw. ein Arbeitslosengeld in der gleichen Form oder Höhe wie bei uns gibt es nicht. Wer also überleben will, ist, in aller Regel, gezwungen zu arbeiten. Die Folge ist, dass es aber auch Jobs für jede Qualifikationsstufe gibt. Auch einfache Arbeiten werden verrichtet, so dass es viel einfacher für Betroffene in den Arbeitsmarkt zurückgeht. Das ist, laut Medienberichten, in Deutschland eher selten der Fall. Ein Aufstieg ist allerdings viel wahrscheinlicher, wenn man im Job ist, statt außerhalb. Nur dort ist es möglich, sich zu beweisen.

Das gleiche gilt auch für die Qualität vieler Arbeiten. Ich sehe das Trinkgeldsystem in den USA tendenziell auch kritisch. Nach diesen zwei Wochen allerdings erkenne ich auch die positive Seite: Der Service in Sachen Geschwindigkeit, Freundlichkeit und Qualität war sagenhaft. Ich empfand es als völlig richtig, das zu honorieren und habe mich sehr wohl gefühlt.

Aber die Diskriminierung!

In Deutschland liest man viel von der Diskriminierung in den USA. Ob aufgrund von Hautfarbe, Geschlecht, Behinderung, politischer Ansichten oder Religion, es gibt jede Menge Medienberichte dazu.

Zwei Dinge sind mir vor Ort aufgefallen, die so nicht in den Berichten stehen. Das erste betrifft wieder den Arbeitsmarkt. In unserem Land gibt es das AGG, über das ich bereits einmal geschrieben habe, ebenso wie das Kündigungsschutzgesetz. Meine These aus dem damaligen Beitrag halte ich mehr denn je aufrecht. Denn in den USA ist es viel einfacher, als Quereinstieger, Umschüler oder mit unterbrochenem Lebenslauf wieder Fuß zu fassen – wer leichter feuern kann und weniger Hürden dabei hat, kann auch leichter einstellen und einem Menschen einfach mal eine Chance geben. Für beide Seiten potentiell ein Gewinn.

Und besonders positiv blieb mir in Erinnerung, wieviel Aufwand betrieben wird, um Menschen mit Behinderung zu helfen. Entsprechende Eingänge, Unterstützungsleistungen, Sonderkonditionen und schlicht ganz viel aktive Hilfe (zum Beispiel bei der Teilhabe an Attraktionen in Disney Parks oder dem Kennedy Space Center) scheinen die Norm zu sein. Das fand ich sehr beeindruckend.

Aber die Politik!

Dass man in Europa vermutlich einen anderen Ausgang des Wahlkampfes präferiert hätte, ist, denke ich, kein Geheimnis. Es gab auch viele Warnungen im Vorfeld unserer Reise. Man solle nicht über Politik sprechen, bei der Einwanderung kann es zu Problemen kommen, und vieles mehr.

Unsere Erfahrung in dieser Hinsicht war komplett positiv. Klar gab es den ein oder anderen Truck mit jeder Menge MAGA-Aufklebern, aber im Alltag spielen diese Fragen eigentlich keine Rolle. Eier gab es im Supermarkt auch. Und die Einreise dauerte sagenhafte drei Minuten und lief freundlich und konstruktiv ab.

Wir haben uns mit einigen Menschen unterhalten. Das aktuelle Geschehen in Washington war nie ein Thema dabei. Viel wichtiger waren Wetter, wie das Spiel der Lieblingsmannschaft ausging, der gerade ablaufende NFL Draft und andere Kleinigkeiten. Das kann man natürlich kritisch sehen – weniger informiert, abstinenter, weniger involviert. Oder man sieht es positiv, denn die Menschen genießen ihr Leben und haben ihren Fokus auf den ganz pragmatischen Fragen ihres jeweiligen Alltags.

Bei diesem Punkt bevorzuge ich meine “Bubble”, die politisch interessiert und engagiert ist – aber (um das Thema des Beitrags wieder aufzugreifen) es ist auch mal entspannend, einen gänzlich anderen Entwurf zu sehen.

Aber der Gigantismus!

Eine Sache, von der jeder Besucher der USA spricht, ist die schiere Größe von vielen Dingen. Das beginnt, wie oben beschrieben, beim Land selbst. Aber auch andere Dinge sind unglaublich und erst vor Ort so richtig zu begreifen. “Direkt am Meer” leben bedeutet 30 Minuten Fahrt. Es gibt Möbellager mit einer Kantenlänge von einer Meile. Im Supermarkt kannst Du 5kg Hackfleisch für den Hausgebrauch fertig abgepackt kaufen. Ein kurzer Trip nach Disneyworld? Wohl eher einer der Parks pro Tag, und dann auch nur mit Fastpass, wenn man alles sehen will – es ist einfach alles enorm groß.

Man kann das als Ressourcenverschwendung sehen. Es hat aber auch einige enorme Dinge hervorgebracht. So richtig bewusst wurde mir das beim Besuch des Kennedy Space Center. Die Saturn V Rakete, mit ihrem 120m, die größte jemals gebaute Rakete. Ohne sie wäre die Mondlandung nicht möglich gewesen. Überhaupt, für dieses gewaltige Ziel wurde unglaublich viel mobilisiert. Das Gebäude, in dem die Saturn V gebaut wurde, stammt aus den 1960er Jahren und ist 160 Meter hoch. Darin werden die Launchsysteme aufrecht gebaut! Und es ist heute noch in Betrieb, aktuell für die Missionen des Artemis-Projekts.

Das gleiche gilt für die Parks und Shows, die Ausstellungen, einfach alles. Es ist groß. Und es ist großartig. Im Vergleich mit vielen Deutschen Museen und Ausstellungen mag es übertrieben wirken. Erlebt man es allerdings selbst, versteht man, wie fesselnd die Vermittlung von Geschichte und Wissen sein kann. Oder dass große Ziele viel Ressourcen benötigen. Es war einfach in jeder Hinsicht gigantisch.

Aber: Es gibt auch Dinge, die man vermisst

Nun will ich auch deutlich sagen: Viele Vorurteile und Missverständnisse sind weg. Das bedeutet aber nicht, dass in den USA alles wunderbar ist. Es gab auch Dinge, die ich nicht gut fand oder die ich vermisst habe.

Eines der ersten Dinge, die ich nach unserer Rückkehr tat, war Brot zu kaufen. Selbst die Supermarktbrote, über die ich gerne mal schimpfe, sind um Längen besser als das durchschnittliche Brot in den USA. Das schmeckt nicht und hat im Prinzip keine Konsistenz. Kurz gesagt: Richtiges Brot ist komplette Mangelware. Kein Wunder, dass deutsches Brot als Selbständigkeit bei Auswanderern im Fernsehen öfter mal ein Thema ist.

Das Wasser ist ein anderer Punkt. Man vergisst gerne aus Gewohnheit, wie toll es ist, Trinkwasser aus dem Hahn zu haben. In den USA ist das Wasser gechlort, so dass man zur Zubereitung von Kaffee, Tee oder Speisen besser abgepacktes Wasser nutzt.

Und als letzter Punkt, vielleicht spezifisch für Florida: Ich freue mich, dass unsere Restaurants nicht so brutal klimatisiert werden. Der Temperaturunterschied ist enorm. Wenn man den ganzen Tag Sonne hat, ist es eigentlich eine Einladung für einen grippalen Infekt, in ein Restaurant zu gehen. Teilweise ist es so kalt, dass man trotz 30 Grad Außentemperatur gerne lange Sachen tragen möchte. Das brauche ich jedenfalls nicht mehr.

Somit endet mein kleiner Reisebericht. Ich kann jedem diese Art Reise nur empfehlen. Die Bilder, die man oft im Kopf hat, sind meist schwarz oder weiß. Die Realität dagegen meist grauer – und spannender!

Ich kam gestern Abend von meinem ersten Elternabend. Dabei habe ich eine Beobachtung über Väter gemacht, über die ich eine Weile nachgedacht habe. Nun möchte ich darüber bloggen.

Der erste Eindruck

Ich war, leider wenig überraschend, als Mann in der deutlichen Minderheit. Neben mir waren drei andere Väter im Raum, dagegen deutlich über ein Dutzend Mütter. Wenig überraschend war es, weil ich das auch schon zu Kitazeiten beobachtet habe. Die Betreuung von Kindern ist, leider, immer noch deutlich in weiblicher Hand. Wie auch faktisch der gesamte frühkindliche Bildungsbereich.

Die historischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gründe sind mir natürlich klar. Ich glaube aber auch fest daran, dass sich Dinge ändern können. Und dass man dafür etwas tun muss.

Diskriminierung passiert oft unbewusst

Vorab, ich unterstelle niemandem bewusste, aktive Diskriminierung. Mir ist auch klar, dass Netzwerke sehr stark sind und sich gegenseitig unterstützen. Das ist ja auch, in Teilen, ihr Zweck.

Dennoch denke ich, dass zwei Dinge notwendig sind, damit Diskriminierung bekämpft werden kann:

  • Sie muss benannt werden. Nicht als Anklage, sondern um Bewusstsein zu schaffen. Gerade die unbewussten Diskriminierungen sind nämlich sonst für die Zielgruppe gar nicht sichtbar
  • Es benötigt Menschen, die sich dafür engagieren, damit sich etwas ändert. Dabei reicht es nicht aus, dass nur die “Minderheit” (Männer sind natürlich keine echte Minderheit – ich meine Minderheit im jeweiligen Kontext) sich engagiert. Ohne Hilfe von Personen aus der “Mehrheit” ist eine Änderung auch nicht möglich

Zu beidem passt der gestrige Abend. Beginnen wir also beim Schaffen von Bewusstsein.

Wir brauchen “neue Väter”

Den Satz habe ich nun, in vielen Kontexten, oft gelesen. Und auch wenn es, statistisch, immer noch eine Ausnahme sein mag, ich kenne viele Väter, die sich engagieren wollen. Die am Leben ihrer Kinder teilhaben wollen, die nicht nur Ernährer, sondern Vater sein wollen. Das begegnet mir oft und es ist ein riesiger Unterschied zum Beispiel zu meiner eigenen Kindheit.

Damit solche Väter sich engagieren können, müssen sie sich anbieten und einbringen. Und sie müssen die Gelegenheit bekommen.

Ich habe mich gestern als Klassenelternsprecher zur Wahl gestellt und diese Wahl verloren. Das ist Demokratie und auch in Ordnung. Mir war es wichtig, das Angebot zu machen, mich für etwas zu engagieren, was mir wichtig ist.

Meine Mitbewerberin bekam vorab bereits, aufgrund von Vorerfahrung, sehr positives Feedback. Das fand ich auch absolut ok. Es wäre mir eine Freude gewesen, an ihrem Beispiel zu lernen.

Wir brauchen aber auch “neue Mütter”

Der für mich logischste Weg, mit dem Wahlergebnis umzugehen, der auch von der Lehrerin vorgeschlagen wurde: Ich mache den Stellvertreter. Damit wäre vieles erreicht worden. Zwei Menschen, die die Aufgabe übernehmen wollen, hätten es getan. Ich hätte von der Erfahrung lernen können. Und wir hätten ein wünschenswertes Gesellschaftsmodell einen, wenn auch kleinen, Schritt nach vorn gebracht.

Was dann passierte, empfand ich, rückblickend, leider als nicht überraschend, auch wenn es mich weiterhin beschäftigt. Statt dem Vorschlag der Lehrerin zu folgen, wurde eine zweite Mutter, etwas widerwillig, zur Kandidatur aufgefordert. Nach Zögern trat sie an und gewann die Wahl zur Stellvertreterin. Auch das ist Demokratie.

Dennoch ist die Art und Weise, wie es passierte, etwas, worüber in diesem Fall gerade Mütter nachdenken müssen. Ich verstehe, dass leider die Netzwerke bei Eltern nach wie vor oft über die Mütter laufen. Daran wird sich aber nie etwas ändern, wenn es nicht die Mütter tun. Wir Väter können uns nur anbieten, uns einbringen. Zulassen kann es nur die, in diesem Fall, “Mehrheit”.

Das ist ein Fall – es gibt noch einige andere Dinge, wo es für mich schwierig war, den “alten Weg” aufzubrechen. Alleine Zugang zur E-Mailliste der Schule zu erhalten hat bereits mehrere Anfragen gekostet, weil niemand auf den Fall von zwei gleichberechtigten Erziehenden vorbereitet scheint.

Lasst uns rein

Deshalb an dieser Stelle meinen Glückwunsch an die beiden Gewählten. Verbunden mit dem Aufruf, so wie ich über das Erlebte nachzudenken. Wenn wirklich eine Mehrheit der Gesellschaft eine Änderung in einem bestimmten Bereich will, muss man dafür etwas tun. Indem man unbewusste Diskriminierung bewusst macht, und indem sich beide Seiten dafür engagieren, daran etwas zu ändern.

Bildquelle: Helene Souza  / pixelio.de