Das Thema Kündigungen hatte ich ja vor einiger Zeit schon einmal im Blog verarbeitet. Die gute Nachricht ist, es gibt ein Gegenstück dazu, dass mir auch viel mehr Spaß macht, und Dir sicherlich auch: Das Recruiting, also die richtigen Mitreisenden für Dein Nachfolge-StartUp finden.

Dazu würde ich Dir gerne ein paar Tipps geben. Zu den Quellen, wo Du suchen kannst, aber auch zu Vorstellung bis hin zur Auswahl.

Wo finde ich denn die Menschen?

Es ist noch nicht so lange her, da gab es zwei Primärquellen für Kandidaten: Die Bundesagentur für Arbeit und Zeitungsannoncen. Beide existieren auch noch heute. Es ist völlig legitim, sowohl in der Jobbörse der BA, als auch in Zeitungen entsprechende Stellenanzeigen aufzugeben.

Allerdings sind das längst nicht mehr die einzigen Quellen:

Die eigene Homepage ist ein wichtiger Anlaufpunkt für mögliche Bewerber, weshalb Deine offenen Stellen dort auf jeden Fall zu finden sein sollten. Neben der BA gibt es auch spezialisierte Jobbörsen im Internet. Je nach Branche und Aufgabenbereich kann es lohnend sein, genau dort präsent zu sein – das geht übrigens über die BA zum Teil automatisch (letzter Schritt der Anzeigenschaltung). Social Media sind ein wichtiger Kanal, um Menschen zu erreichen. Eine Stellenanzeige bei Facebook, Xing oder LinkedIn entfaltet meist ein viel größere Reichweite, als auf anderen Portalen.

Die direkte Ansprache ist auch ein Weg für Dich, die richtigen Menschen zu rekrutieren. Das geht zum Beispiel über Xing besonders gut. In manchen Bereichen hilft es auch, indirekt Menschen anzusprechen. Das fällt mir insbesondere bei Berufkraftfahrern auf, die häufig über entsprechende Werbung auf den Firmen-LKWs gesucht werden. Das ergibt natürlich Sinn, denn genau diese Zielgruppe wird vermutlich am ehesten den LKW auf der Autobahn sehen und die Anzeige lesen. Persönliche Kontakte sind eine mögliche Quelle. Dein Team kennt bestimmt Menschen aus dem eigenen Arbeitsbereich und kann jemanden empfehlen.

Und Du kannst natürlich selbst frühzeitig ansetzen, indem Du an Schulen oder Hochschulen Präsenz zeigst, beispielsweise indem Du dort Unterricht mit gestaltest, Veranstaltungen sponserst oder im Rahmen von Kooperationsprojekten dabei bist. Und zu guter letzt kannst Du natürlich auch einen Spezialisten damit beauftragen, genau den richtigen Menschen für Dich zu finden. In Führungspositionen ist das Engagieren von sog. Headhuntern durchaus üblich. Es ist teuer, kann Dir aber viel Arbeit sparen.

Und wie nun den oder die richtige(n) wählen?

Ist Deine offene Stelle, auf welchem Wege auch immer, bekannt gemacht, bekommst Du hoffentlich entsprechende Bewerbungen oder Anfragen. In kleinen Betrieben, wie bei mir selbst, ist die Menge noch problemlos zu verarbeiten. Ich lese jede Bewerbung. In größeren Firmen, vielleicht auch mit eigener Personalabteilung, wird eine Vorauswahl vielleicht auch schon dort getroffen. Egal wie, Du musst am Schluss eine Menge Menschen zur Auswahl haben, die passt.

Ich betone es einmal vorab: Unterlagen sagen absolut nicht alles über einen Menschen aus. Ganz im Gegenteil, ich selbst habe die allerbesten Erfahrungen mit denjenigen gemacht, die unter den Oberbegriff „unterbrochene oder ungewöhnliche Lebensläufe“ fallen. Allerdings empfehle ich dennoch, nicht einfach jeden einzuladen. Mal abgesehen von offensichtlich fehlender Eignung (ein Schreiner, der sich auf eine Klempnerposition bewirbt) achte ich durchaus auf Form und Sprache.

Die Form, also wie die Bewerbung aussieht, ordentlich, strukturiert, kreativ, und alles was dazu gehört hat mir bisher immer gezeigt, ob jemand die Bewerbung schreibt, weil er oder sie das will, oder muss – und mal ehrlich, wer dazu geprügelt werden muss, sich bei Dir zu bewerben, passt auch nicht wirklich in Dein Team, oder? Die Sprache, und damit meine ich nicht 100% Beherrschung jeder Komma-Regel, sondern die Verständlichkeit ist für mich auch ein Kriterium.

Letztendlich musst Du Deine Kriterien für Dich definieren. Mit zunehmender Erfahrung wird es in jedem Fall leichter. Ein paar Tipps folgen weiter unten. Was an Kandidaten dann übrig bleibt, will ich persönliche kennenlernen. Ich empfehle Dir, einen Teil des Gesprächs dann auch klassisch zu halten (es gibt Fragen und Themen, die einfach erwartet werden, die es auch für beide Seiten leichter machen). Als grober Leitfaden dienen mir immer drei Fragen, die ich durch das Gespräch beantworten will: Warum diesen Job, warum bei mir, und was sollte ich sonst noch wissen?

Je nach Stelle kann es sehr sinnvoll sein, ein Probearbeiten oder ein Praktikum zu vereinbaren. Gerade im Handwerksbereich ist das durchaus üblich. In meinem Fach ist es schwieriger, da es wenig „einfache“ oder „standardisierte“ Aufgaben gibt, die betrachtet werden können. Hast Du alle Informationen zusammen, die Du brauchst, solltest Du die Kandidaten ranken. Mir hilft dabei eine gewichtete Matrix in Excel – und ehrlich gesagt ein Bauchgefühlfaktor, auch wenn Heiko Banaszak das nicht gerne hören wird.

Tipps und Tricks bei der Personalauswahl

Ich habe bei der Auswahl schon einige Fehler gemacht. Vielleicht kannst Du Dir ein paar davon sparen.

Lass mich bei den Quellen beginnen. Hier solltest Du unbedingt darüber nachdenken, wie Du Deine Zielgruppe erreichst. Das Beispiel mit einem Aufdruck auf einem LKW ist absolut genial – Berufskraftfahrer sind nunmal mehrheitlich auf der Straße zu finden. Deshalb ergibt diese Quelle absolut Sinn! Und genauso solltest Du auch in Deinem Fall nachdenken. Ich zum Beispiel lehne jede Form von Printanzeige konsequent ab. Schließlich ist es sinnfrei zu sagen, ich will mit meinem Team Menschen bei der Digitalisierung begleiten und wir arbeiten an der Spitze der technologischen Entwicklung… um dann mein Team in einem analogen Medium vergrößern zu wollen. Das ist völlig unglaubwürdig.

Mit der Bundesagentur habe ich leider keine guten Erfahrungen gemacht. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass in meinem Bereich nur sehr wenige, praktisch niemand, arbeitslos ist. Manchmal erreicht mich bei Azubistellen von dort etwas passendes. Der Prozentsatz ist aber sehr marginal. Den Bonus, den die Anzeige bei der BA aber hat, ist dass sie dann auch kostenlos bei diversen Kooperationspartnern erscheint. Insofern, im Sinne der Reichweite, mag es Sinn ergeben, sie dennoch zu nutzen.

Die allerbesten Erfahrungen dagegen habe ich mit Teamempfehlungen gemacht. Wenn jemand aus Deinem Team einen anderen empfiehlt, ist das eine Art Bürgschaft. Gut für Dich, denn die meisten bürgen nur, wenn sie sich absolut sicher sind. Die Hälfte meiner Einstellungen waren persönliche Empfehlungen, und ich habe davon keine bereut. Zudem ist Dein Mitarbeiter oder Deine Mitarbeiterin in diesem Fall auch noch Botschafter für Dich.

In jedem Fall empfehle ich Dir, eine Arbeitgebermarke aufzubauen und die auch selbst nach außen zu vertreten. Deine lokale IHK oder HWK kann Dich dabei beraten.

Wenn Du nun Deine Bewerbungen liest, habe ich, wie bereits erwähnt, besonders gute Erfahrungen mit all denjenigen gemacht, die Lücken oder Ungereimtheiten in ihrem Lebenslauf hatten, oder komplette Schwenks. Zum Beispiel hat sich bei mir ein Bankkaufmann beworben, der unbedingt Programmierer werden wollte und deshalb noch einmal lernen wollte, trotz Frau und Kind. Ich habe die Entscheidung, ihn einzustellen, nie bereut. Ähnlich bei einem langjährigen Verkäufer im Einzelhandel ohne formelle Ausbildung. Der leitet heute effektiv meinen Schulungsbereich. Mir ist klar, dass Du Maßstäbe anlegen musst – mein Tipp ist es, diese dennoch zu hinterfragen und auch mal was neues auszuprobieren.

Im Vorstellungsgespräch überraschen kann helfen

Lass mich nun zum Vorstellungsgespräch kommen. Hier ist mein erster Ratschlag: Mach es nicht alleine! Ich nehme eigentlich immer noch eine Person dazu, idealerweise den potentiellen direkten Vorgesetzten, Teamleiter oder unmittelbaren Kollegen. Es ist einfach so, man bekommt zu zweit einfach mehr mit. Zudem kannst Du Dich dann abwechselnd in eine aktive und eine beobachtende Rolle begeben.

In der aktiven Rolle weiche ich sehr gerne vom Standard ab. Ich versuche bewusst, auch „freche“ Fragen zu stellen und nachzubohren. Die meisten Bewerber haben bestimmte Vorstellungen von einem solchen Gespräch und sind darauf vorbereitet. Das sagt mir dann aber wenig über den Menschen. Deshalb stelle ich dann mal Fragen wie „Wie gehen Sie damit um, wenn ein Vorgesetzter Ihnen Unrecht tut?“ – „Und was, wenn der Chef das ist und Sie absolut genau wissen, dass er Mist erzählt?“.

Dazu kommt, dass ich lieber die richtigen Menschen einstelle, denn Kenntnisse kann man erlernen. Da bohre ich dann gerne mal nach, indem ich mir das ideale Arbeitsumfeld beschreiben lasse, den idealen Arbeitgeber oder die wichtigsten Werte abfrage. Übrigens, dabei wird gerne mal etwas geflunkert. Dem kannst du begegnen, indem Du dann einfach mal nachfragst, woran man den betreffenden Wert jeden Tag bei dem Bewerber erkennen kann. Wenn der Bewerber darauf keine Antwort hat, war es vermutlich nicht sein oder ihr Wert.

Von Heiko Banaszak habe ich in einer tollen Folge des BPS gelernt, dass statistisch Intelligenz und Resilienz wichtige Vorhersagen über die Eignung und den zukünftigen Erfolg zulassen. Da ich selbst das Recruiting mache, geht es bei mir wesentlich weniger wissenschaftlich zu. Eine Frage, die er als Beispiel nannte, benutzte ich seitdem aber regelmäßig und bin ihm dafür sehr dankbar: Er empfahl, den Kandidaten darum zu bitten, eine Situation aus seinem Leben zu beschreiben, in der er sich trotz Widerständen durchgesetzt hat.

Mein letzter Ratschlag an Dich: Korrigier Deine Fehler. Du wirst nicht immer die richtige Auswahl treffen. Du wirst Dich auch mal täuschen lassen. Das ist mir auch passiert. Das ist nicht tragisch, solange Du dann konsequent Deinen Fehler korrigierst. Teamhygiene ist Deine Aufgabe als Nachfolger und Unternehmer, und Du solltest sie ernst nehmen, sogar sehr ernst. Dein Team reagiert sehr sensibel auf sprichwörtliche „faule Äpfel“. Nimmst Du ihn nicht schnell aus dem Korb, gefährdest Du das gesamte Team.

Netzwerke knüpfen mag nicht jedermanns Sache sein. Dass es wichtig ist, dürfte dennoch unstrittig sein. Es gehört zu Deinen Aufgaben als Nachfolger und Unternehmer.

Das war nicht immer so, und das naturgegebene Talent, dass einige Menschen dafür haben, fehlt mir ebenfalls. Ich habe für mich Mittel und Wege gefunden, damit umzugehen. Der Blogbeitrag heute hat zwei Hauptteile:

Zum Einen möchte ich die Hintergedanken erläutern, die Du als Nachfolger und Unternehmer vielleicht hast, wenn Du über Netzwerke nachdenkst. Oder einfacher ausgedrückt, was suchst Du, wenn Du Dich in einem Netzwerk engagierst? Zum Anderen möchte ich einige persönliche Empfehlungen aussprechen, die ich bisher erlebt habe.

Ziele von Netzwerken

Lass mich also mit den verschiedenen Zielen beginnen, die Du beim Netzwerken vielleicht haben könntest. Das offensichtlichste, was vermutlich auch jedem direkt einfällt, ist es, Geschäftskontakte zu knüpfen. Das war auch mein Einstieg in das Thema. Es gibt aber noch viele weitere Gründe, Netzwerke zu suchen. Da wäre zum einen Deine eigene Weiterentwicklung, denn als Nachfolger und Unternehmer hängt die Entwicklung Deines Unternehmens unmittelbar mit Deiner eigenen Entwicklung zusammen. Deshalb solltest Du hier auch Zeit, gerne auch viel Zeit, investieren.

Ein anderer Grund könnte das Feedback für Dich selbst sein. In Deiner Rolle ist es schwer, qualitativ hochwertiges Feedback zu bekommen. Teile davon kommen hoffentlich von Team, Partner oder Partnerin. Der größere Teil allerdings, den kannst Du nur von Menschen bekommen, die Deine Herausforderungen aus eigener Erfahrung verstehen.

Lobbyarbeit ist ebenfalls ein valides Ziel von Netzwerken. Ob nun gezielt für eine bestimmte Branche oder eine Region, oder aber als generelle politische Lobby, es gibt dafür Netzwerke, die diesen Schwerpunkt setzen

Nicht unerwähnt bleiben sollte auch die Option, mit Mitbewerbern oder zukünftigen Partnern in Kontakt zu kommen, ohne den vielleicht manchmal unangenehmen direkten Weg zu gehen

Einige Empfehlungen aus eigener Erfahrung

Obwohl ich finde, dass die eigene Präferenz hier nicht unbedingt jedem hilft, will ich einige Netzwerke für die oben genannten Zwecke empfehlen.

Beginnen möchte ich bei den Wirtschaftsjunioren Deutschland. Solange Du unter 40 bist, halte ich das für ein sehr wertvolles Netzwerk. Hier lernst Du möglicherweise Geschäftskontakte kennen. Viel wichtiger ist aber, dass Du Dich selbst weiter entwickeln kannst. Die Junioren leisten viel ehrenamtliche Projektarbeit in verschiedenen Bereichen. In diesen Projekten kannst Du nicht nur Deine Interessen ausleben, sondern auch essentielle Skills wie Rhetorik, Projektmanagement oder Kalkulation in einem geschützten Rahmen üben. Und nicht zuletzt entstehen durch diese Aktivitäten auch Freundschaften – also Menschen, die Dir ein qualitatives Feedback geben können. Es gibt fast überall regionale Unterorganisationen, bei denen Du einfach vorbeischauen kannst. Als kleiner Bonus wirst Du sehr nahe an die IHK herangeführt, sofern das für Dich relevant ist, denn die WJ sind eng mit den Industrie- und Handelskammern verbunden.

Wenn wir gerade dabei sind, IHK und HWK bieten Dir auch ein Netzwerk. Beide Kammern bieten zahlreiche Kurse, Vorträge und Veranstaltungen an, die Du besuchen kannst. Dabei werden sowohl Bildung, als auch Kontakte aller Art befördert. Da diese Angebote meist durch Deinen Mitgliedsbeitrag abgedeckt sind, ist es das im besonderen Maße wert.

Mehr Politik oder gezielte Lobby geht auch

Die Kammern sind schon politische Institutionen. Wenn Dir das nicht reicht, und Du ein Netzwerk suchst, in dem Politik mehr oder minder im Mittelpunkt steht, sind die Familienunternehmer bzw. der Bund Junger Unternehmer das richtige für Dich. Im Vergleich zu den WJ beispielsweise findet hier wenig Projektarbeit statt. Dafür gibt es eine Vielzahl hochkarätiger Netzwerkveranstaltungen für Kontakte einerseits und politische Interaktion bis hin zur Kanzlerin direkt andererseits. Der Verein ist diesbezüglich hochaktiv und versucht dabei, die Interessen seiner Mitglieder stark und sichtbar zu vertreten.

Je nachdem, in welchem Bereich Du aktiv bist, gibt es interessante Branchenverbände, deren Arbeit sich auch darauf fokussiert. Hier im Saarland gibt es zum Beispiel ME Saar für die Unternehmen aus dem Bereich Metall und Elektro. In meinem Feld gibt es Bitkom und Databund, und vermutlich noch dutzende, wenn nicht gar hunderte anderer Verbände für andere Bereiche. In jedem Fall kannst du hier gezielt Lobby für Deine Branche betreiben und triffst natürlich auch Mitbewerber und potentielle Partner.

Als letztes auf meiner Liste stehen für mich die Netzwerke, deren Schwerpunkt auf der Interaktion zwischen Wirtschaft und (Hoch-)Schulen liegt. Im Saarland wäre das z. B. der Arbeitskreis Schule Wirtschaft (AKW). Nicht nur, weil es mir ein persönliches Anliegen ist, sondern auch, weil es für Dich relevant ist. Irgendwo her kommt die nächste Generation Deines Teams. Wenn Du dann schon bekannt bist, oder gar Talente frühzeitig erkennst und mit ihnen in Kontakt kommst, hilft Dir das auf lange Sicht sehr.

Networking lohnt

Es gibt verschiedene Gründe, in Netzwerken aktiv zu sein, wovon Geschäfte zu machen nur einer ist. Dazu kommen noch Deine persönliche Entwicklung, das Treffen Gleichgesinnter, Lobbyarbeit oder der Kontakt zu Partnern, zukünftigen Mitarbeitern oder Mitbewerbern.

Ich kann Dir, je nach Schwerpunkt, einige Netzwerke empfehlen. Im besonderen Maße trifft das auf die WJD zu, bei denen ich nun schon einige Jahre bin und die mir als Mensch, als Unternehmer und für mein Unternehmen schon sehr viel gebracht haben. Dazu gibt es noch andere Netzwerke mit unterschiedlichen Schwerpunkten, bspw. Politik (ASU), Branche (Bitkom, ME Saar, etc.) oder Schule (AKW).

Das einzige, was ich Dir nicht empfehlen kann, ist in kein Netzwerk zu gehen.

Copyright-Hinweis für das Beitragsbild: By CCP Games – en:EVE Online, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4321549

Nein, ich bin noch nicht völlig abgedreht, keine Angst. Wie viele Menschen spiele ich Computerspiele. Da ich an der Quelle saß, seit frühester Kindheit. Was damals noch neu und wenig verbreitet war, ist heute Mainstream. Die Industrie setzt mittlerweile mehr um als Hollywood. Und praktisch jeder spielt – nicht alle intensiv, aber fast jeder irgendwie.

Komplexe Spiele, komplexe Rollen… viel zu lernen!

Wenn man unterschiedliche Typen einteilen möchte, falle ich nicht unter den sogenannten „Casual Spieler“. Ich habe nicht mehr so viel Zeit wie früher, aber ich bevorzuge das, was man als AAA-Titel bezeichnet, oder langfristige Spiele wie MMO’s, gegenüber beispielsweise kleinen Spielen auf Tablets oder Mobiltelefonen.

Meine aktuelle Leidenschaft gilt Eve Online – ein Spiel, dass so komplex ist, dass viele es als „Arbeit nach der Arbeit“ bezeichnen. In meiner Spielergruppe (in Eve „Corp“ genannt) gibt es einen Podcaster. Alexander hat es sich zur Aufgabe gemacht, in seinem Podcast, oft mit Hilfe von Gästen, Spielmechaniken und Inhalte zu erklären und zu beleuchten.

Auf der Fahrt zu einem Kundentermin habe ich heute seine Episode zur Rolle des Fleet Commanders in Eve Online gehört – und fand sie klasse. Der Gast, Fork, ist mir bekannt, da ich auch schon unter seinem Kommando spielte. Zugegeben, aufgrund von Forks Sprechtempo (ja, man gewöhnt sich daran) und den vielen Begriffen aus dem Spiel ist der Podcast nicht einfach zu verarbeiten.

Auf das darin erwähnte „Beiblatt“ allerdings möchte ich hier eingehen.

Die virtuelle Welt ist keine abgetrennte – Es ist ein Teil der Welt

In der Beilage schreibt Fork die wichtigsten Eigenschaften eines FC und die Anforderungen an die Rolle auf. Und wenn man mal neutral darauf schaut, merkt man, dass vieles davon auch für Nachfolger und Unternehmer, oder Führungskräfte im Allgemeinen, wichtig ist.

So ist eine dieser Anforderungen effektiv Resilienz. Die Aufforderung, nicht „einzufrieren“ unter Druck ist zusammen mit dem schnellen Denken eine sehr nützliche Eigenschaft. Dir werden immer wieder neue Situationen begegnen. Manche davon werden sogar existenzbedrohend sein. Nicht in Panik zu verfallen und schnell das eigene Hirn nutzen hilft dabei ungemein.

Auch Delegation und den Überblick behalten sind, in meinen Augen, sehr wichtige Fähigkeiten. Als Soloselbständiger mag das anders sein, aber sobald Du ein Team hast, musst Du lernen, Dinge abzugeben. Nicht nur zu Deinem Wohl, sondern auch zu dem des Unternehmens. Schließlich hast Du sicherlich keine Trottel eingestellt, sondern Menschen, die etwas besser als Du können. Dann solltest Du ihnen auch die Chance dazu geben. Gleichzeitig bleibt die Verantwortung bei Dir. Überblick behalten ist also missionskritisch für den Teil, den Du in das Team einbringst. Von Resistenz gegen Burnout und dem Umgang mit Niederlagen, die auch erwähnt werden, ganz abgesehen.

Obwohl ein Teil des Reizes ausprobieren ist, lohnt Authentizität

Wie im Spiel kannst Du auch in Deiner Firma eine Persona kreieren, die Du sein möchtest. Du kannst im Unternehmen effektiv ein anderer Mensch sein, als außerhalb. Das ist mit großer Anstrengung verbunden. Persönlich denke ich, dass es zwar reizvoll ist, aber auf lange Sicht zu anstrengend und zu schädlich, wenn es schief geht. Authentizität ist etwas gefühltes. So wie Fork beschreibt, dass ihm vermutlich niemand den fluchenden und randalierenden Fleet Commander dauerhaft abnimmt, so ist es auch bei Dir. Deine Persönlichkeit wird immer wieder durchscheinen – deshalb kannst Du, finde ich, das auch zur Tugend machen.

Klare Kommunikation ist in jeder Führungsrolle wichtig. Ob ich 200 Menschen in einer Eve-Flotte leite, oder ein Unternehmen, für beides ist es gleich wichtig. Klarheit in Ton und Inhalt Deiner Kommunikation ist ein echtes Markenzeichen guter Führung. Das gleiche gilt für mich für emotionale Stabilität. Menschen schätzen es, wenn sie Deine Reaktion einschätzen und prognostizieren können. Einmal ruhig zu bleiben und das andere Mal zu schreien wird dafür sorgen, dass Dein Team nur noch mit guten Nachrichten zu Dir kommt. Im Ergebnis wirst Du scheitern, denn Du erhältst die oftmals wichtigeren schlechten Neuigkeiten gar nicht oder zu spät. Und kannst dafür effektiv nur Dich verantwortlich machen.

Motivation kannst Du unterstützen – und beim Spielen lernen

In Krisen ist Motivation enorm wichtig. Ob Deine halbe Flotte gerade zerstört wurde oder in Deinem Unternehmen ein wichtiger Kunde wegbricht, es hat Auswirkungen auf die Beteiligten. Dein Team kannst Du nicht unbedingt selbst motivieren – ich schreibe ja oft, dass Motivation von innen kommt. Du kannst aber die Rahmenbedingungen schaffen, dass sie hoch bleibt. Ein guter und wertschätzender Umgang, Ruhe und Zuversicht sowie Verlässlichkeit – also alles was oben genannt wurde, trägt dazu bei.

Du siehst, Spiele sind kein Kinderspielzeug. Du kannst daraus viel lernen. Ich habe meine ersten wirtschaftlichen Zusammenhänge dank diversen Wirtschaftssimulationen erlernt. Aber selbst dort, wo das Spiel offensichtlich in einer fiktiven Zukunft stattfindet, kannst Du viel lernen – und es macht richtig Spaß, auf diese Art zu lernen!

Ich möchte heute über ein spannendes Thema schreiben. In vergangenen Beiträgen ging es bereits öfter über Businesspläne und Liquiditätsplanung. Beiden ist gemein, dass darin auf Jahre geplant wird.

Heute möchte ich die Diskrepanz aufgreifen, die sich dabeizumindest schon angedeutet hatte – nämlich mich mit der Frage beschäftigen, wie weit Du wirklich vorausplanen kannst.

Kein Mangel an Plänen, eher ein Überfluss

Lass mich noch einmal einleitend sagen: Im Unternehmertum und bei der Nachfolge wird alles mögliche geplant. In Deinem Businessplan will die Bank von Dir Planungen auf fünf Jahre. Die Liquiditätstabelle, die ich in Episode sechs von Follow-Up.fm als Download zur Verfügung stelle, zeigt auch mehrere Jahre auf einen Blick. Und im operativen Geschäft gibt es Projekte, bei denen Du Dich unter Umständen auf Jahre festlegst.

Die Frage, die dabei oft zurecht auftaucht ist, wie das genau möglich ist.

Die kurze Antwort ist: Gar nicht. Die längere will ich Dir nun geben.

Businesspläne und Liquidität

Fangen wir mit dem Thema Businessplan an. Jeder Businessplan, selbst die in der Nachfolge, bei denen man von vorhandenen Zahlen extrapolieren kann, sind Ratespiele. Im Endeffekt sind sich darüber auch die Banken im Klaren. Es sind ja keine dummen Menschen, die da arbeiten.

Allerdings sind Businesspläne (noch) der Standard. Zumindest in Deutschland. Und die Finanzierung über Banken (darunter fallen für mich auch Förderbanken, wie beispielsweise die SIKB) ist hierzulande ebenfalls noch der Standard. Wohin es sich möglicherweise entwickelt, sieht man an den USA. Dort spielen Business Model Canvas (als Alternative zum Businessplan) und Venture Capital (als Alternative zur Bankfinanzierung) eine größere Rolle. Daran erkennst Du auch den Unterschied, denn der ist schon im Namen: Ein BMC beschreibt ein Geschäftsmodell, der Begriff Business Plan beinhaltet eben Planung, also die zeitliche Perspektive. Die ist beim BMC wenn überhaupt nur indirekt und rudimentär enthalten. Der Versuch, damit bei einer deutschen Bank Geld zu bekommen, dürfte damit zumindest herausfordernder werden. Gleiches gilt auch beim Kapital. Venture- oder Risikokapital hat ja schon im Namen, dass es keine festverzinste Anlage, sondern eine Wette ist – mit dem Risiko, alles zu verlieren.

Ich empfehle oft, insbesondere Deine Liquidität im Auge zu behalten. Es ist für mich die wichtigste Kennzahl überhaupt. Eine Tabelle, die Dir hoffentlich dabei hilft, gibt es als kostenlosen Download. Als aufmerksamen Leser ist Dir sicherlich aufgefallen, dass in der Tabelle viele Spalten sind, auch auf Jahre im Voraus. Ich denke, das machen noch mehr Leute so, insbesondere in größeren Firmen, wo Budgets und Investitionen auf Jahre geplant werden.

Meine bisherige Erfahrung

Businesspläne gehen nie auf. Im Idealfall natürlich übertriffst Du sie. Aber neben dem reinen „nicht genau treffen“ von prognostizierten Zahlen gibt es ja noch sehr viele anderen Variablen, die dazu führen können, dass Dein Plan nicht aufgeht. Der Markt kann sich ändern, Deine Wettbewerber, Dein Team… und noch hunderte andere Dinge. Meine Erfahrung ist, dass jede Prognose, selbst in der Nachfolge, wo Du ja über schon vorhandene Zahlen, Daten und Fakten verfügst, über ein bis zwei Jahre hinaus völlige Fiktion ist.

Genaue Planung über zwei Jahre hinaus ist Fiktion. Share on X

Ähnlich verhält es sich bei der Liquidität. Ja, in meiner Tabelle versuche ich, auch langfristig im Voraus zu „planen“. Allerdings kann ich auch hier klar sagen, dass eine echte Planung bestenfalls auf 12-14 Monate im Voraus funktioniert. Und da bin ich aufgrund meines Geschäftsmodells in einer Luxussituation. Bei anderen Unternehmen, wo viel Schwankungen in Nachfrage und Preisen sind, ist dieser Zeitraum unter Umständen sehr viel kleiner.

Und mit Liquidität und Businessplan ist es ja längst nicht zu Ende. Dein Geschäft umfasst ja noch viele andere Dinge. Technischer Fortschritt, Änderungen in Deinem Team, neue Konkurrenz, sich ändernde Märkte und Rahmenbedingungen…die Liste derjenigen Dinge, die Du gar nicht planen kannst, ist endlos.

Ja und nun?

Vielleicht fragst Du Dich an dieser Stelle „Ja, und nun?“. Mein allererster Tipp, mit dem ich auch in den letzten Teil dieses Beitrags einsteigen möchte, ist: Lern es zu akzeptieren.

Es tut mir leid, wenn ich das so hart sagen muss, aber das ist Dein Job als Unternehmer und Nachfolger. Und direkt auch der zweite Hinweis: Lass Dir keine grauen Haare deswegen wachsen. Eines meiner Ziele mit diesem Blog und Follow-Up.fm ist es ja zu zeigen, dass Nachfolge und Unternehmertum keine Wissenschaft sind, also auch ein wenig die Hemmschwelle zu senken, indem ich von meinen Erfahrungen berichte. Dem will ich auch treu bleiben, denn diese Unsicherheit ist einerseits natürlich manchmal ärgerlich – sie ist aber auch mit der größte Reiz des ganzen. Ich weiß nicht, wie es Dir geht, aber neues zu entdecken, Veränderungen durchzumachen und auch voran zu treiben, ist für mich der größte Reiz dessen, was ich tue.

Du kannst dennoch einige Dinge tun, um möglichst positiv mit der Planungsunsicherheit umzugehen. Es mag jetzt etwas wenig intuitiv klingen, aber dennoch zu planen ist mein nächster Ratschlag. Die Akzeptanz, dass sich Dinge ändern werden, dass neue Technologie auf den Markt kommt, dass ein wichtiger Kunde oder Mitarbeiter abspringt oder auch, dass Du einen noch nie da gewesenen Auftrag an Land ziehst… es entbindet Dich nicht davon, das zu planen, was Du kannst. Meine Empfehlung wäre eine möglichst genaue Planung in allen Dimensionen (also Strategie, Liquidität, Personal, Produkte, etc.) auf ein Jahr, wenn das möglich ist. Damit bist Du in einem Bereich, wo Du selbst auf die größten Ereignisse normalerweise gut reagieren kannst.

Kritische Pfade immer beachten

Bekannte Risiken solltest Du dabei, wenn es sich um einen kritischen Pfad, also etwas entscheidendes handelt, mit besonderer Beachtung versehen. Ein Beispiel wäre, wenn spezifisches Produktwissen bei einem einzigen Menschen im Team vorhanden ist. Für dessen Ausfall solltest Du natürlich einen Plan haben. Ich empfehle Dir als Ort dafür nicht Deinen Hinterkopf, denn dort belastet es Dich nur. Schreib ihn einfach auf. In Stichpunkten, aber so ausführlich, dass Du ihn auch zwei Jahre später noch herausziehen und verstehen kannst. Ein guter Umfang sind zwei bis drei Seiten. Da sich auch für solche Pläne Dinge ändern, schadet eine regelmäßige Sichtung und Aktualisierung nicht.

Überhaupt, diesen Rat möchte ich, zum Abschluss, noch verallgemeinern. Auch wenn es Arbeit ist, verschriftliche Dinge. Der kritische Pfad könntest nämlich auch Du sein. Was ist, wenn Du ausfällst? Dann sollten doch diejenigen, die Dich vertreten, auch alle notwendigen Informationen haben. Lege die Tabellen, Dokumente und Daten an einer Stelle ab und hinterlasse schriftliche Anweisungen und notwendige Passwörter an einer Stelle, die für diese Leute zugänglich sind. Es sind schon viele Nachfolgen gescheitert, weil Wissen nur im Kopf des Unternehmers war. Das solltest Du besser machen.

Keine Angst vor Veränderung!

Mein letzter und vielleicht wichtigster Rat: Veränderung ist etwas tolles. Freu Dich darauf! Ich beobachte es gerade wieder in meinem Umfeld, dass mit sehr alten Methoden versucht wird, ein größeres Problem zu lösen. Dabei braucht es „nur“ die Akzeptanz, dass man nicht alles planen kann, und die Freude daran und den Mut dafür, etwas neues auszuprobieren. Bislang hat das noch nicht funktioniert, man hängt dort noch sehr an Kennzahlen, Prozessen und langfristigen Planungen – mit dem Blick auf neue Methoden und sinnvolle kleinere Ziele könnte das aber rasch ins positive Gegenteil übergehen.

Es gibt die Redensart, dass jede Führungskraft nach drei Jahren das Team hat, das sie verdient. Das vorausgeschickt habe ich wohl wirklich etwas richtig gemacht, denn ich habe ein tolles Team. Es gibt auch eine zweite Redensart. Sie besagt, dass Menschen wegen Geld, Namen, Projekten und Titeln zu Unternehmen kommen – und sie wegen Führungskräften verlassen. Das ist mir auch schon passiert, und es ist eine wichtige Lernerfahrung gewesen. Eine echte Lektion in Sachen Demotivation und der Wirkung von Führung.

Du kannst auch unterfordern

Ich arbeite in einem Bereich, in dem es überproportional viele kreative und leistungsfähige Menschen gibt. Natürlich gelten für diese Menschen die gleichen Basisanforderungen, wie für fast jeden. Ein Job soll unseren Lebensunterhalt decken, uns nicht zuwider sein und am besten sind auch die Kolleginnen und Kollegen toll.

Im besonderen Maße gilt für Entwickler aber auch, dass sie entwickeln wollen. Sie wollen bewegen. Sie schätzen die Herausforderung, sie wollen neue Projekte, an denen sie sich beweisen können.

Den ersten Teil nenne ich mal einfach die unbestreitbaren Hygienefaktoren. Für die langfristige Zusammenarbeit entscheidend allerdings ist, mindestens in meinem Umfeld (und ich vermute auch in vielen anderen), der zweite Bereich.

Erkenntnis gewonnen, Kollegen verloren…

Als ich in meiner Rolle noch etwas frischer und unerfahrener war, konnte ich das noch nicht so klar sehen. Und deshalb habe ich einen fähigen und motivierten Menschen verloren. Ich war als Führungskraft noch nicht so weit, dass ich klar erkennen konnte, was die Bedürfnisse dieses Mitarbeiters waren. Die Symptome waren sichtbar. Demotivation, die sich in Verspätungen und Kritik zeigte. Ein Rückzug vom Team. Das war alles da, und ich nahm es wahr. Was mir fehlte, war die Fähigkeit zu erkennen, dass es an mir lag.

Später, nachdem der Mitarbeiter gekündigt hatte, kam mir diese Erkenntnis. Ich habe verstanden, dass ich ihn schlicht unterfordert und in seinen Zielen nicht ausreichend unterstützt habe.

…und wieder gefunden. Lessons learned

Das konnte ich auch verifizieren. Einige Jahre später haben wir uns wieder getroffen. Das Verhältnis ist herzlich, entspannt – und ich kann ihm ansehen, dass der Wechsel für ihn ein wichtiger und richtiger Schritt war. Wir sprachen über meine Vermutungen, und er hat sie alle bestätigt.

Du kannst aus meinem Fehler lernen. Meine wichtigsten Tipps:

  • Mach Dir bewusst, dass ein Gehalt nicht alles ist. Geld ist ein Hygienefaktor, kein dauerhafter Motivator
  • Sei Dir klar, dass Führung nicht nur Entscheidungsstärke oder Selbstbewusstsein erfordert, sondern echte Führung auch bedingt, die Bedürfnisse anderer wahrzunehmen
  • Prüfe regelmäßig (nicht nur einmal im Jahr!), ob Dein Team glücklich ist. Fördere offenes Sprechen darüber, was sich die Menschen wünschen und wie sie sich aktuell fühlen
'A true leader has the confidence to stand alone, the courage to make tough decisions, and the compassion to listen to the needs of others...' - Douglas MacArthur Share on X

Mit diesen drei Ratschlägen schaffst Du es vielleicht, meinen Fehler zu vermeiden.