Wie viele spätere Nachfolger war ich schon vorher in unserem Betrieb. Das ist bei Familienunternehmen oft der Fall. Geht es dann aber um den Führungswechsel, birgt das Thema Risiken. Denn nun bist Du nicht mehr Kollege, sondern Chef. Dabei kannst Du eine ganze Menge falsch machen. Das ist mir auch passiert, weshalb ich heute darüber blogge. Vielleicht hilft es Dir, bestimmten Stolpersteinen auszuweichen.

Es gibt zu diesem Thema übrigens unendlich viel Literatur und Weiterbildung. Ich habe auch lange überlegt, einen entsprechenden Kurs zu besuchen. Dass ich es nicht tat, ist vielleicht ganz gut, sonst käme dieser Beitrag womöglich nicht zu Stande.

Eine sehr deutsche Herausforderung: Die Anrede

Einer der ersten Fehler, der mir unterlaufen ist, war die Anrede. Wenn man mit Menschen zusammen arbeitet, kommt man fast immer automatisch zum „Du“. Das war natürlich auch bei uns der Fall. Vorab, ich habe nicht den allergrößten denkbaren Fauxpas begangen, indem ich das wieder zurückgezogen habe. Allerdings habe ich schon von solchen Fällen gehört. Ich hoffe, niemand kommt auf diese Schnapsidee.

Allerdings habe ich durch eine andere schlechte Entscheidung viel gelernt. Alle Menschen, die ich später eingestellte, blieben nämlich erst einmal beim „Sie“. Auf diese Art und Weise habe ich, unabsichtlich, aber vermeidbar, eine Zwei-Klassen-Gesellschaft geschaffen. Mir ging dabei oft im Kopf herum, was mein Vater sagte: “Halt die Leute ruhig etwas auf Distanz. Vielleicht musst Du sie eines Tages entlassen“.

Obwohl er damit natürlich Recht hatte, war meine Konsequenz daraus ein Fehler. Respekt und Hierarchie drücken sich nicht durch eine Anrede aus. Was sich aber damit ausdrücken kann, sind indirekte Wertungen des Teams, und das solltest Du unbedingt vermeiden. Deshalb mein wichtigster Tipp: Spar Dir das, sondern entscheide Dich für einen Weg. Das habe ich später auch getan. Mittlerweile sind alle beim „Du“, lediglich bei Auszubildenden vor der Übernahme bleibe ich beim „Sie“. Und ich kann mit absoluter Sicherheit sagen: Einen Menschen zu entlassen ist niemals leicht, egal wie Du ihn vorher angesprochen hast.

Positionsänderung bedeutet Perspektivenwechsel

Mir ist auch aufgefallen, dass eine neue Position meist auch neue Sichtweisen mit sich bringt. Ich denke, das dürfte jedem einleuchten. Allerdings vergisst man das manchmal dann im Alltag und geht davon aus, dass die ehemaligen Kollegen das auch direkt nachvollziehen können. Meine Erfahrung ist, dass es hier zu großen Missverständnissen kommen kann. In Deiner neuen Rolle als Chef wirst Du viele neue Herausforderungen haben. Du wirst Dir sehr viel Wissen in kurzer Zeit aneignen müssen – und zu all diesen aufgabenspezifischen Kenntnissen kommt dann noch der riesige Komplex der Führung hinzu.

Wenn Du nun aus Deiner neuen Perspektive Sachverhalte siehst und bewertest, wird es fast immer anders ausfallen, als das früher der Fall war. Nur wenn Du, wie ich, viel mit Deinen ehemaligen Kollegen sprichst, kann das zu einem Problem werden. Implizit setzt Du nämlich voraus, dass sie Deine neue Sichtweise verstehen. Das ist in aller Regel nicht der Fall. Du wirst Dich in Lagen wiederfinden, in denen Deine alten Kollegen nicht helfen können. Darauf solltest Du vorbereitet sein.

Die unterschiedlichen Sichtweisen und Aufgabengebiete führen dazu, dass Du auch mal gut gemeinte Ratschläge aus Deinem Team verwerfen musst. Das stößt nicht immer auf Gegenliebe. Es hilft dabei enorm, transparent mit Entscheidungen umzugehen und sie zu erklären. Auch dabei gilt: „Mit Maß und Ziel“. Erkläre, wenn es nötig ist, aber vergiss dabei nicht, dass Deine eigentliche Aufgabe die Geschäftsführung ist.

Fachwissen ist nicht Führungswissen

Es kommt leider viel zu oft vor, dass Fachwissen mit Führungskompetenz gleichgesetzt wird. Du kennst sicher auch Fälle, in denen die beste Fachkraft befördert wurde und es komplett schief ging.

Als Nachfolger, als Chef, darf man ein gewisses Fachwissen voraussetzen. Allerdings ist das nicht das entscheidende, sondern Dein besonders Skillset, Dein eigentliches Fachwissen, ist Führung. Es gibt einige wenige Fälle, in denen Menschen dafür eine Gabe besitzen (man denke an die charismatische Führung gemäß Max Weber). Die meisten von uns brauchen dazu aber erlernbare Werkzeuge und viel Übung. Deshalb ist mein dritter Ratschlag, hier direkt mit Deiner Arbeit zu beginnen. Entwickle Dein Skillset in Sachen Führung.

Mit der wichtigste Skill, den Du erlernen musst, ist es, Konflikte auszutragen. Denn die werden kommen. Gerade als Nachfolger, der vielleicht vorher selbst schon im Betrieb mitgearbeitet hat, wirst Du herausgefordert werden. Dein Führungsanspruch wird in Frage gestellt werden. Es ist dann sehr viel angenehmer und leichter, dem Konflikt aus dem Weg zu gehen. Es ist aber auch falsch. Nimm Dir Zeit, bereite Dich darauf vor und trage es aus. Nur achte darauf, das Pendel nicht ins andere Extrem ausschlagen zu lassen. Den Chef heraushängen zu lassen, ist keine Führung, sondern ein Fehler.

Fünf Dinge, die Du tun solltest, wenn Du Chef geworden bist

Bei allen Fehlern gibt es natürlich auch Möglichkeiten, diesen Rollen- und Perspektivenwechsel erfolgreich zu gestalten.

Das erste, was Du Dir deshalb bewusst machen solltest, ist das es eine Riesenchance ist. Du kannst die ehemaligen Kollegen auf die kommende gemeinsame Reise mitnehmen. Dazu musst Du Dir selbst treu bleiben. Auf der menschlichen Ebene unverändert, und klar in der Kommunikation. Wenn Du dann noch das Team in Entscheidungen einbeziehst und zeigst, dass Du zwar führst, aber selbst natürlich auch weiter lernst, wirst Du es bestimmt erfolgreich gestalten.

Überhaupt, das Team, ist ein entscheidender Faktor. Ein guter Leader weiß, dass er seine Ziele nicht alleine erreichen kann. Das ist der Grund, warum insbesondere StartUps besonders darauf achten, gute Teams zu bauen. Erfolgreiche Nachfolge-StartUps tun das deshalb auch. Beginne deshalb unbedingt bei Dir, denn dort beginnt auch das Team. Leb vor, was Du von anderen erwartest und zeige, dass Du niemals aufhörst, Dich weiter zu entwickeln. Damit setzt Du das richtige Zeichen.

Den Chef heraushängen zu lassen ist übrigens keine Stärke. Es ist eine Schwäche. Keine Entscheidungen zu treffen ist aber auch eine. Die Balance zu finden, ist Erfahrungssache. Wolfgang Grupp, der Gründer und Inhaber von Trigema, brachte es in einem Vortrag in Saarbrücken klar auf den Punkt: „Schnelle Entscheidungen treffen ist gut. In jedem Fall besser als keine, selbst wenn es mal schief geht“. Drück Dich nicht davor, das ist zentraler Bestandteil Deiner neuen Rolle.

Als vierten Ratschlag empfehle ich Dir, viel Zeit in Deine Führungsfähigkeiten zu stecken. Vernachlässige Fachwissen nicht komplett, aber konzentriere Dich auf das Skillset, dass Du in Deiner neuen Rolle primär benötigst. Hier hilft die alte 80-20-Regel, ich halte das für eine gute Verteilung Deiner Energie. Du und Dein Team, Ihr braucht ein diverses und breites Skillset um erfolgreich zu sein. Dein Job ist es, die Führung hinein zu bringen.

Der letzte Ratschlag ist situativ, aber mächtig: Stell Dich vor Dein Team, wenn sich die Chance bietet. Nichts zeigt mehr Leadership als wenn Du voran gehst, Dein Team schützt. Dann wirst Du auch in Deiner neuen Rolle akzeptiert.

Wo Du noch mehr Informationen findest

Dieses Thema habe ich auch in Audioform bei Follow-Up.fm aufgearbeitet. Wenn Du es lieber hören möchtest, empfehle ich Dir deshalb Episode drei. Ebenfalls empfehlenswert ist der Podcast „Führung auf den Punkt gebracht“ von Bernd Geropp. Er hat auch eine Folge zu dem Thema diesen Blogs.

Welchen Herausforderungen bist Du denn in Deiner neuen Rolle begegnet? Lass es mich wissen!

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  1. […] oft im Kampf. Innerlich und äußerlich, wobei ersteres meist anstrengender ist. Sei es die eigene Vergangenheit, die Prägungen durch unsere Eltern, oder der schwierige Mitarbeiter. Die Frage ist, ob diese Art […]

  2. […] ist unendlich wichtig. Über die mit dem eigenen Team spreche ich häufig und werde es auch weiterhin tun. Die Gruppen, die aber bislang noch nicht angesprochen wurden, sind […]

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