Das Thema Kündigungen hatte ich ja vor einiger Zeit schon einmal im Blog verarbeitet. Die gute Nachricht ist, es gibt ein Gegenstück dazu, dass mir auch viel mehr Spaß macht, und Dir sicherlich auch: Das Recruiting, also die richtigen Mitreisenden für Dein Nachfolge-StartUp finden.
Dazu würde ich Dir gerne ein paar Tipps geben. Zu den Quellen, wo Du suchen kannst, aber auch zu Vorstellung bis hin zur Auswahl.
Wo finde ich denn die Menschen?
Es ist noch nicht so lange her, da gab es zwei Primärquellen für Kandidaten: Die Bundesagentur für Arbeit und Zeitungsannoncen. Beide existieren auch noch heute. Es ist völlig legitim, sowohl in der Jobbörse der BA, als auch in Zeitungen entsprechende Stellenanzeigen aufzugeben.
Allerdings sind das längst nicht mehr die einzigen Quellen:
Die eigene Homepage ist ein wichtiger Anlaufpunkt für mögliche Bewerber, weshalb Deine offenen Stellen dort auf jeden Fall zu finden sein sollten. Neben der BA gibt es auch spezialisierte Jobbörsen im Internet. Je nach Branche und Aufgabenbereich kann es lohnend sein, genau dort präsent zu sein – das geht übrigens über die BA zum Teil automatisch (letzter Schritt der Anzeigenschaltung). Social Media sind ein wichtiger Kanal, um Menschen zu erreichen. Eine Stellenanzeige bei Facebook, Xing oder LinkedIn entfaltet meist ein viel größere Reichweite, als auf anderen Portalen.
Die direkte Ansprache ist auch ein Weg für Dich, die richtigen Menschen zu rekrutieren. Das geht zum Beispiel über Xing besonders gut. In manchen Bereichen hilft es auch, indirekt Menschen anzusprechen. Das fällt mir insbesondere bei Berufkraftfahrern auf, die häufig über entsprechende Werbung auf den Firmen-LKWs gesucht werden. Das ergibt natürlich Sinn, denn genau diese Zielgruppe wird vermutlich am ehesten den LKW auf der Autobahn sehen und die Anzeige lesen. Persönliche Kontakte sind eine mögliche Quelle. Dein Team kennt bestimmt Menschen aus dem eigenen Arbeitsbereich und kann jemanden empfehlen.
Und Du kannst natürlich selbst frühzeitig ansetzen, indem Du an Schulen oder Hochschulen Präsenz zeigst, beispielsweise indem Du dort Unterricht mit gestaltest, Veranstaltungen sponserst oder im Rahmen von Kooperationsprojekten dabei bist. Und zu guter letzt kannst Du natürlich auch einen Spezialisten damit beauftragen, genau den richtigen Menschen für Dich zu finden. In Führungspositionen ist das Engagieren von sog. Headhuntern durchaus üblich. Es ist teuer, kann Dir aber viel Arbeit sparen.
Und wie nun den oder die richtige(n) wählen?
Ist Deine offene Stelle, auf welchem Wege auch immer, bekannt gemacht, bekommst Du hoffentlich entsprechende Bewerbungen oder Anfragen. In kleinen Betrieben, wie bei mir selbst, ist die Menge noch problemlos zu verarbeiten. Ich lese jede Bewerbung. In größeren Firmen, vielleicht auch mit eigener Personalabteilung, wird eine Vorauswahl vielleicht auch schon dort getroffen. Egal wie, Du musst am Schluss eine Menge Menschen zur Auswahl haben, die passt.
Ich betone es einmal vorab: Unterlagen sagen absolut nicht alles über einen Menschen aus. Ganz im Gegenteil, ich selbst habe die allerbesten Erfahrungen mit denjenigen gemacht, die unter den Oberbegriff „unterbrochene oder ungewöhnliche Lebensläufe“ fallen. Allerdings empfehle ich dennoch, nicht einfach jeden einzuladen. Mal abgesehen von offensichtlich fehlender Eignung (ein Schreiner, der sich auf eine Klempnerposition bewirbt) achte ich durchaus auf Form und Sprache.
Die Form, also wie die Bewerbung aussieht, ordentlich, strukturiert, kreativ, und alles was dazu gehört hat mir bisher immer gezeigt, ob jemand die Bewerbung schreibt, weil er oder sie das will, oder muss – und mal ehrlich, wer dazu geprügelt werden muss, sich bei Dir zu bewerben, passt auch nicht wirklich in Dein Team, oder? Die Sprache, und damit meine ich nicht 100% Beherrschung jeder Komma-Regel, sondern die Verständlichkeit ist für mich auch ein Kriterium.
Letztendlich musst Du Deine Kriterien für Dich definieren. Mit zunehmender Erfahrung wird es in jedem Fall leichter. Ein paar Tipps folgen weiter unten. Was an Kandidaten dann übrig bleibt, will ich persönliche kennenlernen. Ich empfehle Dir, einen Teil des Gesprächs dann auch klassisch zu halten (es gibt Fragen und Themen, die einfach erwartet werden, die es auch für beide Seiten leichter machen). Als grober Leitfaden dienen mir immer drei Fragen, die ich durch das Gespräch beantworten will: Warum diesen Job, warum bei mir, und was sollte ich sonst noch wissen?
Je nach Stelle kann es sehr sinnvoll sein, ein Probearbeiten oder ein Praktikum zu vereinbaren. Gerade im Handwerksbereich ist das durchaus üblich. In meinem Fach ist es schwieriger, da es wenig „einfache“ oder „standardisierte“ Aufgaben gibt, die betrachtet werden können. Hast Du alle Informationen zusammen, die Du brauchst, solltest Du die Kandidaten ranken. Mir hilft dabei eine gewichtete Matrix in Excel – und ehrlich gesagt ein Bauchgefühlfaktor, auch wenn Heiko Banaszak das nicht gerne hören wird.
Tipps und Tricks bei der Personalauswahl
Ich habe bei der Auswahl schon einige Fehler gemacht. Vielleicht kannst Du Dir ein paar davon sparen.
Lass mich bei den Quellen beginnen. Hier solltest Du unbedingt darüber nachdenken, wie Du Deine Zielgruppe erreichst. Das Beispiel mit einem Aufdruck auf einem LKW ist absolut genial – Berufskraftfahrer sind nunmal mehrheitlich auf der Straße zu finden. Deshalb ergibt diese Quelle absolut Sinn! Und genauso solltest Du auch in Deinem Fall nachdenken. Ich zum Beispiel lehne jede Form von Printanzeige konsequent ab. Schließlich ist es sinnfrei zu sagen, ich will mit meinem Team Menschen bei der Digitalisierung begleiten und wir arbeiten an der Spitze der technologischen Entwicklung… um dann mein Team in einem analogen Medium vergrößern zu wollen. Das ist völlig unglaubwürdig.
Mit der Bundesagentur habe ich leider keine guten Erfahrungen gemacht. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass in meinem Bereich nur sehr wenige, praktisch niemand, arbeitslos ist. Manchmal erreicht mich bei Azubistellen von dort etwas passendes. Der Prozentsatz ist aber sehr marginal. Den Bonus, den die Anzeige bei der BA aber hat, ist dass sie dann auch kostenlos bei diversen Kooperationspartnern erscheint. Insofern, im Sinne der Reichweite, mag es Sinn ergeben, sie dennoch zu nutzen.
Die allerbesten Erfahrungen dagegen habe ich mit Teamempfehlungen gemacht. Wenn jemand aus Deinem Team einen anderen empfiehlt, ist das eine Art Bürgschaft. Gut für Dich, denn die meisten bürgen nur, wenn sie sich absolut sicher sind. Die Hälfte meiner Einstellungen waren persönliche Empfehlungen, und ich habe davon keine bereut. Zudem ist Dein Mitarbeiter oder Deine Mitarbeiterin in diesem Fall auch noch Botschafter für Dich.
In jedem Fall empfehle ich Dir, eine Arbeitgebermarke aufzubauen und die auch selbst nach außen zu vertreten. Deine lokale IHK oder HWK kann Dich dabei beraten.
Wenn Du nun Deine Bewerbungen liest, habe ich, wie bereits erwähnt, besonders gute Erfahrungen mit all denjenigen gemacht, die Lücken oder Ungereimtheiten in ihrem Lebenslauf hatten, oder komplette Schwenks. Zum Beispiel hat sich bei mir ein Bankkaufmann beworben, der unbedingt Programmierer werden wollte und deshalb noch einmal lernen wollte, trotz Frau und Kind. Ich habe die Entscheidung, ihn einzustellen, nie bereut. Ähnlich bei einem langjährigen Verkäufer im Einzelhandel ohne formelle Ausbildung. Der leitet heute effektiv meinen Schulungsbereich. Mir ist klar, dass Du Maßstäbe anlegen musst – mein Tipp ist es, diese dennoch zu hinterfragen und auch mal was neues auszuprobieren.
Im Vorstellungsgespräch überraschen kann helfen
Lass mich nun zum Vorstellungsgespräch kommen. Hier ist mein erster Ratschlag: Mach es nicht alleine! Ich nehme eigentlich immer noch eine Person dazu, idealerweise den potentiellen direkten Vorgesetzten, Teamleiter oder unmittelbaren Kollegen. Es ist einfach so, man bekommt zu zweit einfach mehr mit. Zudem kannst Du Dich dann abwechselnd in eine aktive und eine beobachtende Rolle begeben.
In der aktiven Rolle weiche ich sehr gerne vom Standard ab. Ich versuche bewusst, auch „freche“ Fragen zu stellen und nachzubohren. Die meisten Bewerber haben bestimmte Vorstellungen von einem solchen Gespräch und sind darauf vorbereitet. Das sagt mir dann aber wenig über den Menschen. Deshalb stelle ich dann mal Fragen wie „Wie gehen Sie damit um, wenn ein Vorgesetzter Ihnen Unrecht tut?“ – „Und was, wenn der Chef das ist und Sie absolut genau wissen, dass er Mist erzählt?“.
Dazu kommt, dass ich lieber die richtigen Menschen einstelle, denn Kenntnisse kann man erlernen. Da bohre ich dann gerne mal nach, indem ich mir das ideale Arbeitsumfeld beschreiben lasse, den idealen Arbeitgeber oder die wichtigsten Werte abfrage. Übrigens, dabei wird gerne mal etwas geflunkert. Dem kannst du begegnen, indem Du dann einfach mal nachfragst, woran man den betreffenden Wert jeden Tag bei dem Bewerber erkennen kann. Wenn der Bewerber darauf keine Antwort hat, war es vermutlich nicht sein oder ihr Wert.
Von Heiko Banaszak habe ich in einer tollen Folge des BPS gelernt, dass statistisch Intelligenz und Resilienz wichtige Vorhersagen über die Eignung und den zukünftigen Erfolg zulassen. Da ich selbst das Recruiting mache, geht es bei mir wesentlich weniger wissenschaftlich zu. Eine Frage, die er als Beispiel nannte, benutzte ich seitdem aber regelmäßig und bin ihm dafür sehr dankbar: Er empfahl, den Kandidaten darum zu bitten, eine Situation aus seinem Leben zu beschreiben, in der er sich trotz Widerständen durchgesetzt hat.
Mein letzter Ratschlag an Dich: Korrigier Deine Fehler. Du wirst nicht immer die richtige Auswahl treffen. Du wirst Dich auch mal täuschen lassen. Das ist mir auch passiert. Das ist nicht tragisch, solange Du dann konsequent Deinen Fehler korrigierst. Teamhygiene ist Deine Aufgabe als Nachfolger und Unternehmer, und Du solltest sie ernst nehmen, sogar sehr ernst. Dein Team reagiert sehr sensibel auf sprichwörtliche „faule Äpfel“. Nimmst Du ihn nicht schnell aus dem Korb, gefährdest Du das gesamte Team.