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Durch das WJ-Netzwerk habe ich, vor langer Zeit, Stefan Hund kennengelernt. Als ehemaliger Pastor kennt er sich mit dem Thema Seelsorge gut aus. Anfang letzten Jahres sprachen wir über das Thema “Trauer im Unternehmen“. Das war leider unfreiwillig, denn es hatte bei uns einen Todesfall gegeben. Ein junger Mann, unter 40, starb. Für mich eine neue Herausforderung, neben den eigenen Emotionen.

Tod und Trauer sind leider immer präsent

Es gibt den, etwas geschmacklosen, Scherz, dass nur zwei Dinge sicher sind: Der Tod und das Finanzamt. So bösartig das klingt, es ist wahr.

Als ich die Nachricht erhielt, dass einer meiner Mitarbeiter ins Krankenhaus gekommen ist, war ich noch völlig entspannt. Er hatte sich vorher bei einem Unfall eine relativ harmlose Verletzung zugezogen und befand sich in der Erholung davon. Dass dabei mal etwas schiefgeht, ist normal. Und ein Krankenhaus ist, in einem solchen Fall, der beste Ort für die Person, so mein Denken. Zudem, noch keine 40, das wird schon alles klappen.

Ich loggte mich noch in unseren Chat ein und schrieb ihm scherzhaft, dass er für den vermeidbaren Rückschlag noch Ärger bekommt. Die Annahme: Er liest es ja bald. Allerdings lag ich falsch.

Ein Schock

Nur wenige Stunden später rief mich seine Führungskraft an. Er war im Krankenhaus verstorben. Das war ein Schock.

Obwohl ich genug Erfahrung mit dem Tod habe, kam diese Nachricht absolut unerwartet. Ich wusste gar nicht, wie ich reagieren soll. Dieses Gefühl beschreibt Stefan auch in einem Artikel.

Es fühlte sich einfacher an, mich auf die betriebswirtschaftlichen Implikationen zu beschränken. Wie besetze ich die Stelle nach? Welche Projekte müssen anders verteilt werden? Passt die Teamstruktur dann noch?

Der Schutzmechanismus hielt allerdings nicht lange. Schon bald kamen die Emotionen dazu, die ich zu unterdrücken versuchte. Wir sind ein kleines Unternehmen. Wir haben viele Grillabende, Feiern und tolle Gespräche miteinander verbracht. Die Lücke, die sich auftat, war riesig. Und mir alleine ging es nicht so. Das Team, das jeden Tag mit der Person zu tun hatte, war noch viel stärker betroffen.

Liebe Führungskräfte, moderiert die Trauer

Es ist nun schon lange her und dennoch denke ich oft an ihn. Ob es der ideale Weg war, wie wir letztlich damit umgegangen sind, weiß ich nicht. Aber einige Learnings für Führungskräfte habe ich:

1. Lasst die Trauer zu

Trauer ist enorm wichtig und verschiedene Menschen haben verschiedene Rhythmen, diese zu verarbeiten. Es darf und muss eine Trauerphase geben. Seid für die Leute da. Sprecht ebenfalls mit über die verstorbene Person. Erinnert Euch gemeinsam an schöne Erlebnisse.

2. Moderiert die Trauer

Es kann enorm hilfreich sein, nach der initialen Hochphase der Emotionen ein wenig Moderation auszuüben. Schafft Räume und Rituale (wir haben ein Bild, das uns an den Kollegen erinnert, gemeinsam ausgesucht und erstellt), damit die Trauer ihren Platz bekommt. Vielleicht kann auch ein externer Begleiter wie zum Beispiel Stefan Hund helfen.

3. Nehmt gemeinsam Abschied

Nach der Beisetzung haben wir gemeinsam, inklusive einiger mittlerweile woanders tätiger Kolleginnen und Kollegen, das Grab besucht und Abschied genommen. Das war auch nicht leicht, aber ein wichtiger Abschlussschritt für diese Trauerphase. Ich habe damals ein Wichtelgeschenk, das er mir geschenkt hatte und sehr viel von ihm beinhaltete, auf sein Grab gestellt und einige Worte in aller Privatssphäre gesagt. Das hat es mir leichter gemacht, wieder zum “Alltag” zurückzukehren.

4. Geht voran

Das Ende der Trauerphase heiß nicht, dass man die Person vergessen soll. Das Leben und die Arbeit gehen aber weiter. Als Führungskraft ist es Dein Job, mit Feingefühl aber Klarheit den Fokus wieder zu verschieben – von Ausnahmesituation zurück zur Normalität. Regelmäßige 1on1’s können ein gutes Instrument sein, um immer wieder nach zu hören, wie gut das läuft.

Erinnert Euch, aber lasst es nicht dominieren

Nun ist es schon so lange her. Aber erst heute schreibe ich über dieses wichtige Thema. Ich hoffe, meine Erkenntnisse helfen Euch ein wenig. Denn so unschön das ist, die Frage ist nicht, ob es passiert. Lediglich wann. Der Tod ereilt alle.

Eine persönliche Empfehlung habe ich auch noch zum Schluss: Auch mir kann etwas passieren. Macht für Eure Abteilungen, Firmen, Familien und ähnliches Notfallpläne. Es gibt Vorlagen und Notare, damit alles geregelt ist. Und vielleicht macht ihr auch noch etwas persönliches. Ich schreibe meiner Tochter jede Woche eine A5 Seite in ein Tagebuch, damit sie etwas von mir, ganz persönlich und nur für sie, hat, sollte mir etwas zustoßen.

Bildquelle: PeterFranz  / pixelio.de

Zu dem Titel inspiriert hat mich ein Artikel auf T3N. Darin geht es im Wesentlichen um die Fähigkeit und Notwendigkeit, als Führungskraft zuzuhören. Ich versuche es zu beherzigen, auch wenn ich nicht immer erfolgreich bin. Gerade in Drucksituationen neigen wir zu direktiver Führung, um Dinge „schnell vom Tisch zu bekommen“.

Allerdings soll es heute um etwas mehr als das gehen: Meinen Schweigeaufenthalt in einem Kloster.

Stefan Hunds Angebot

Stefan habe ich auf dem Barcamp der Wirtschaftsjunioren in Essen kennengelernt. Er sprach mich beim Essen an. Im Laufe des Gesprächs stellte sich heraus, dass er Schweigeaufenthalte für Unternehmer und Führungskräfte anbietet. Dabei ist man mehrere Tage in einem Kloster, ohne Internet, ohne Handy… aber mit einem Notizbuch, Büchern und viel Natur.

Es klang reizvoll. Mich ernsthaft damit beschäftigt habe ich jedoch erst viele Monate später – und dann meinen Ausflug nach Gnadenthal gebucht. Die Idee dahinter, neben Ruhe, ist es, sich durch die Teilnahme am Leben dort inspirieren zu lassen und auch in kurzen Impulsen und persönlichen Gesprächen mit dem Begleiter (Stefan ist Pfarrer) eigene Herausforderungen aus neuen Blickwinkeln zu sehen.

Grün und Ruhe – ein paradiesischer Rückzug

Gnadenthal liegt nordwestlich von Frankfurt. Vom Flughafen, wo ich noch Carmen Brablec aufgabelte, sind es nur etwa 30 Minuten. Und dennoch wirkt es, wie aus der Welt gerückt. Eine Abzweigung von einer Landstraße führt durch das Kloster und die zugehörigen Gebäude, hinter dem es auf dem Berg zum eigentlichen Haus der Stille geht. Es gibt kleine Zimmer, einen Speisesaal, eine Kapelle, einen großen Teich, viele Sitzbänke und am wichtigsten: Wald!

Stefan nahm alle in Empfang und bat sie, im eigenen Interesse, ihre elektronischen Geräte wegzulegen. Für Notfälle ist seine Nummer hinterlegt, was aber, meines Wissens nach, nicht genutzt wurde. An diesem ersten Tag durfte noch gesprochen werden. Man konnte die Aufregung über diese neue Erfahrung spüren. Der Austausch war energiereich. Da parallel ein EM-Fußballspiel lief, wurde dieses auch in der Gruppe noch angesehen.

Stefan händigte jedem ein leeres Notizbuch aus und gab uns den Tagesplan bekannt. Es ist eine ungewöhnliche Erfahrung zu merken, was man so alles tagtäglich nutzt, ohne es zu merken. Ein Wecker zum Beispiel – das ist bei mir mein Handy, das aber im Auto lag. Stefan versprach aber, alle zu wecken, sofern nötig. Ich nehme es vorweg, kein einziger „Termin“ wurde verpasst. Es geht auch ohne!

Kurze Unterbrechungen im Schweigen

Mit dem ersten vollen Tag begann auch das Schweigen. Dieser, und die darauf folgenden Tage, liefen ähnlich ab. Gemeinsames Frühstück, einen Impuls am Vormittag sowie persönliche Gespräche am Nachmittag. Dazwischen bzw. danach Mittag- und Abendessen, im großen Saal. Es gab auch andere Gäste, wir „Schweigenden“ hatten unseren eigenen Tisch. Es ist übrigens spannend zu sehen, wie viel man fragen und antworten kann, ohne dabei den Mund zu bewegen. Alleine beim Frühstück die Frage, ob ein anderer die Butter reichen kann. Am ersten Tag war es ein Hängen und Würgen – am letzten war deutlich mehr Aufmerksamkeit für die anderen da, so dass die Frage gar nicht nötig war.

In allen anderen Zeiten waren wir frei zu tun, was wir wollten. Ich habe viel Zeit im Wald verbracht, das Notizbuch und den Stift immer dabei. Auch der Teich, in der Sonne, war ein schöner Ort. Von den Impulsen konnten wir auch aus einer Bücherkiste Bücher ausleihen, die Stefan mitgebracht hatte. Manchmal empfahl er auch ein bestimmtes Buch. Ich habe mindestens vier (kleine) Bücher im Laufe des Aufenthalts gelesen, und etwa die Hälfte des Notizbuchs voll geschrieben.

Die Impulse waren übrigens immer mit christlichem Bezug bzw. Ausgangspunkt. Als bekennender und überzeugter Atheist war das erst einmal befremdlich für mich und ich kann und möchte mich nicht mit vielen erlebten Ritualen identifizieren. Allerdings sind die Fragen, die Stefan damit aufgeworfen hat, universell gültig – etwas richtiges abzulehnen, nur weil es aus dem „falschen Mund“ kommt, wäre dumm. Die Erfahrung als Seelsorger war auch in den persönlichen Gesprächen hilfreich. Stefans Menschenkenntnis, seine Verschwiegenheit und das Vertrauen, das darin ausgestrahlt wurde, half enorm, über belastendes zu sprechen.

Die Überraschung beginnt am zweiten Tag

Am ersten Tag war ich sehr oft in Gedanken bei brandaktuellen Themen. Ein Projekt im Unternehmen. Der letzte Entwicklungsschritt meiner Tochter. Wie bekomme ich ein Teammitglied entwickelt, all diese Dinge.

Die echte Überraschung begann ab Tag zwei. Dann füllten andere Gedanken mein Notizbuch. Allgemeineres. Die Auseinandersetzung mit der persönlichen Vergangenheit. Prägende Ereignisse, die nicht aufgearbeitet waren. Wer sich darunter nichts vorstellen kann, hier ein Beispiel. In einem anderen Beitrag habe ich erwähnt, dass mein damaliger Trauzeuge mir die Freundschaft aufgekündigt hat. Ich war, natürlich, unglaublich verletzt und habe viel darüber gesprochen. Aber richtig akzeptiert hatte ich es nie. Es geht nicht darum, ob ich es richtig finde. Es ging darum, ob er es für sich als richtig empfand. Diese Akzeptanz kam mir erst im Kloster. Ich habe ihm, nach meiner Rückkehr, einen Brief geschrieben und ihm für die jahrelange Freundschaft und die vielen tollen Erlebnisse gedankt. Seitdem verurteile ich ihn nicht mehr, auch wenn ich ihn weiterhin vermisse.

Alleine dafür wäre es diese Zeit Wert gewesen. Es gab noch weitere, sehr viel allgemeinere, Gedanken und viele guten Ratschläge von Stefan. Als ich dann am letzten Tag wieder sprechen durfte, war es ungewöhnlich. Nicht schlecht. Worte, die Kommunikation damit, sind mir wichtig. Aber das Schweigen war auch ein tolles Erlebnis.

Die Welt dreht sich auch ohne Dich

Und für alle, die Panik haben, dass sie etwas verpassen. Ja, ich hatte auch viele Nachrichten auf meinem Telefon. Aber keine davon konnte nicht diese drei Tage warten. So wichtig, wie wir glauben, sind wir nicht. Und wir sollten es auch nicht sein, denn das ist für unsere Unternehmen schädlich! Auch das ist eine Erkenntnis, die ich erst richtig verinnerlicht habe, als ich mal die Klappe hielt und auf alles in mir hören konnte. Ich empfehle es Dir gerne weiter.

Danke, Stefan.

Episoden

Stefan Hund ist ein Mensch mit ungewöhnlichem Lebenslauf. Er ist Pfarrer, Klinikseelsorger, Coach, Mentor und Begleiter. Zudem ist er seit vielen Jahren in der Wirtschaft engagiert. Im Rahmen seiner vielen Aktivitäten hat er oft mit der Nachfolge zu tun – sei es als Berater des Abgebenden oder als Mentor des Übernehmenden.

Bei allen betriebswirtschaftlichen und strategischen Aspekten kommt ihm dabei eines oft zu kurz: Die Gefühlswelt der Beteiligten. Deshalb habe ich ihn zu einem (kurzen) Gespräch über das loslassen können und das übernehmen wollen gebeten.

Beides sind Aspekte, die nicht immer offensichtlich sind, denen man aber für eine gelungene Nachfolge gerecht werden sollte.

PS: Bitte entschuldige die teils nicht immer perfekte Audioqualität der Episode.

Links zur Episode: