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Wenn ich nun, zum Ende des Jahres, wie immer meinen Rückblick mache, beinhaltet 2018 eine wesentliche Lektion: Die Unternehmenskultur ist im Zweifel stärker als eine Strategie. Und die Kultur ist das, was gelebt wird. Nicht das, was geschrieben steht.

Änderungen bewirken Schmerzen

Ich habe seit 2016 bewusst begonnen, mein Unternehmen kulturell weiter zu entwickeln. Dazu kann man entweder alles von Vornherein definieren. Oder Du beginnst einfach an einer Stelle, die Dir wichtig erscheint. Ich habe mich für die zweite Variante entschieden. Die konkrete Beobachtung war, dass mein Unternehmen, trotz allem Wandel, trotz allem Wachstum, im Wesentlichen immer noch das meines Vaters war, wenn es um die Art ging, wie wir arbeiten.

Das bedeutet, dass die eigene Verantwortung im Zweifel lieber abgegeben wurde, und stattdessen ein klassisch hierarchisches System für Sicherheit sorgen soll. Das spannende dabei: Es spielt keine Rolle, ob es eine formelle Hierarchie mit Abteilungen, Managern oder ähnlichem gibt! Die informelle, gelebte Hierarchie war da.

Ich empfand das als nicht erstrebenswert. Meine Überzeugung beinhaltet eine Dualität aus Miteinander im Team und persönlicher Verantwortung. Das ist für mich Bestandteil einer erstrebenswerten Unternehmenskultur, in der alle wachsen können.

Dein Plan braucht Advokaten

Deshalb entschied ich mich, unsere Arbeitsweise ab 2017 komplett zu verändern. An Scrum angelehnt, entwarf ich ein für uns passendes System, den Fluss unserer Arbeit zu strukturieren und jeden (in verschiedenen Rollen) in den Prozess der Arbeitsdefinition und der Planung einzubeziehen.

Wie zu erwarten, war das erste Jahr ein schmerzhaftes Lernen. Der Unterschied war groß, die Lernhürde hoch. Wir haben nicht alle Ziele erreicht. Wir haben teilweise unpassende Änderungen des Systems gemacht, bevor es sich richtig entfalten konnte. Dennoch: Der Fortschritt war für mich deutlich sichtbar. Deshalb freute ich mich auch auf 2018, denn ich ging davon aus: Wenn wir weiter üben, wird es noch deutlich besser.

Dieser Gedanke war nicht falsch. Er hatte aber einen Haken: Kulturänderungen brauchen Advokaten. Menschen, die für diese Änderung stehen, die sie konstant vorleben, so dass andere sich daran „anlehnen“ können. Ich war der Vertreter dieser Änderung – und fiel die erste Hälfte von 2018 aus. Aus verschiedenen Gründen war ich mental nicht mehr präsent. Klar, ich ging morgens ins Büro. Es ist aber ein Unterschied, ob man vorhanden oder da ist.

Die Folge: Die Kultur fraß meine Strategie auf.

Das gewohnte Verhalten schlummert lange in uns

Dadurch, dass ich nicht präsent war, und wir, wie in jedem Jahr, neue Projekte und Herausforderungen unter Druck zu meistern hatten, passierte etwas. Ich hätte nie gedacht, dass der Effekt so stark werden könnte. In unserer Arbeit verhielten wir uns wieder exakt so, wie in der Kultur, die ich ändern wollte. Das System, das ich eingeführt hatte, bestand noch im Namen, aber nicht mehr in der gelebten Realität. Im Gegenteil, es wurde sogar, unabsichtlich, pervertiert. Unter dem Label der Agilität wurde durch Anpassungen an Rollen und Prozessen das alte hierarchische System wieder aufgebaut. Es gab die Wahrnehmung, dass einzelne Verantwortliche Arbeit zuwiesen. Und wir legten auch andere, bekannte, aber deshalb nicht wünschenswerte Verhaltensweisen an den Tag – Reaktivität, unklare Planung, keine Rücksicht auf Änderungen der Situation, wenig Kommunikation…

Die Folgen sind logisch: Die Zufriedenheit nahm ab, was ich völlig nachvollziehen kann. Und nach meiner „Rückkehr“ war es deshalb nötig, hier schnell aktiv zu werden.

Schnelles Handeln und Klarheit helfen

Da ich das Glück habe, ein Team zu haben, dass auch mit mir redet, wurde das Problem schnell erkannt. Ich habe dann zuerst meine eigene Analyse gemacht – was kann ich beobachten, und wie steht das im Verhältnis zu der von mir anvisierten Unternehmenskultur? Darüber habe ich auch in meinem Podcast mit Carsten Roth gesprochen, der für sich ebenfalls erkannte, wie schwierig es ist, in einer fremden Kultur erfüllt und erfolgreich zu arbeiten.

Danach habe ich jedem Mitglied meines Teams eine Stunde Zeit gegeben, um alles zu sagen, was gesagt werden muss. Diese Ergebnisse habe ich ebenfalls analysiert – was ist ein individuelles Empfinden, wo sind die Gemeinsamkeiten? Mit dem Ergebnis beider Analysen haben wir uns dann zusammengesetzt, und an vier Tagen besonders prägnante Punkte in kurzen Sessions aufgegriffen. Die ersten Maßnahmen werden nun umgesetzt. Damit wir 2019 wieder voll auf Kurs sind.

Lessons learned:

  • Unternehmenskultur > Strategie
  • Kultur ist das, was gelebt wird, nicht das, was geschrieben wurde
  • Kulturänderungen sind ein langer Übungsprozess…
  • …bei dem es eine Art „Change Coach“ braucht, jemanden, der permanent das Ist mit dem Soll vergleicht
  • Labels sind nicht so wichtig wie das, was sich dahinter verbirgt. Nur weil es „agil“ heißt, ist es das nicht
  • Kulturänderungen führen zu Reibungen, denn nicht jeder kann jede Änderung mitgehen – allerdings ist die Welt hier nicht 0 und 1. Es muss nicht jedes Mitglied Deines Teams alles zu 110% verkörpern. Eine hohe Übereinstimmung ohne explizite Widersprüche reicht
  • So, wie es manchen zu schnell geht, kann es anderen auch zu langsam gehen
  • Und nicht zuletzt, der Spiegel, den Dein Team durch Dich bekommt, ist sehr wichtig. Denn weil Kultur etwas gelebtes ist, erkennt man nicht immer direkt den eigenen Beitrag und die eigenen Möglichkeiten, Kultur zu schaffen

Für mich geht damit ein lehrreiches Jahr zu Ende. Dir, liebe Leserin, lieber Leser, wünsche ich erholsame Feiertage und einen guten Start in 2019. Auf dass Du Deine Ziele klar vor Augen hast und die richtigen Menschen hast, die Dich unterstützen. Und ich freue mich natürlich auf Deine Erkenntnisse des Jahres!

Zwischen den Tagen bin ich auch dieses Jahr in Leipzig, auf dem Chaos Communication Congress. Ob ich wieder von dort blogge, entscheide ich spontan. Ansonsten geht es gegen Ende Januar 2019 wieder weiter.

Alle Welt spricht davon, dass Veränderung schneller passiert. Und die Statistik gibt dem Recht. Die Geschwindigkeit, mit der Innovationen unser Leben verändern, ist enorm groß. Smartphones gibt es erst 11 Jahre – ein Umstand, der vielen erst einmal seltsam vorkommt, wenn man bedenkt, wie viel wir damit tun. Aber nicht nur Technik ändert sich. Das Thema der verschiedenen Generationen habe ich ja schon mehrfach angesprochen. Mit diesen unterschiedlichen Generationen in Unternehmen, sowohl in der Führung, als auch bei den Mitarbeitern, ändert sich auch viel.

Die Nachfolge – erzwungenes Change Management

Veränderungen zielführend und konstruktiv gestalten ist das, was oft als Change Management bezeichnet wird. Viele Unternehmen strukturieren sich neu, ändern ihre Organisationsform, ihre Produkte und vieles mehr. Und all diese Veränderungen wollen gestaltet werden. Der Unterschied zur Nachfolge ist, dass diese eine Form „erzwungene“ Veränderung ist. Sie kommt zwar nicht immer überraschend, aber erfahrungsgemäß wird die Tragweite der Änderungen massiv unterschätzt. Viele kommen auch nicht direkt zu Anfang, sondern erst mit Zeit. Neben neuen Gesichtern können das neue Werte sein (was eine riesige Herausforderung ist, da die Änderung von Werten eines Unternehmens ein enorm langwieriger Prozess ist), neue Methoden, neue Ideen… und das alles wird dann dem Team, das übernommen wird, mehr oder minder geordnet vorgestellt.

Jede Veränderung macht Angst

In manchen Medien lese ich dann im Zusammenhang mit gravierenden Änderungen im Unternehmen Begriffe wie „Modernisierungsverweigerer“. Was ein solches Wort über das Menschenbild desjenigen, der es benutzt, aussagt, kannst Du Dir denken.

Ich glaube nicht, dass Menschen sich grundsätzlich neuem verweigern. Allerdings macht das Unbekannte manchen Menschen mehr Angst als anderen. Als Nachfolger und Unternehmer ist es Deine Aufgabe, die Menschen in Deinem Team diesbezüglich richtig einzuschätzen und sie bei der Veränderung individuell zu führen. Nur weil ein Mitarbeiter freudig erregt ist und sich nun befreit fühlt, sich einzubringen, heißt das nicht, dass Du alles einfach laufen lassen kannst und Deine Ideen dann auch umgesetzt werden. Diejenigen, die weniger freudig auf Änderungen reagieren, wirst Du allerdings in aller Regel weniger laut hören. Und dementsprechend auch ihre Bedürfnisse vielleicht nicht, oder zu spät, wahrnehmen.

Führung heißt, die Bedürfnisse aller wahrzunehmen

Deine Aufgabe ist es deshalb, genau diese Gefahr auf Deinem Schirm zu haben: Nur weil die, vielleicht lauteren, Advokaten für eine Veränderung präsenter wirken, heißt das nicht, dass alle so denken. Und diejenigen, die nicht wahrgenommen werden, können dadurch auch leicht frustriert werden. Ganz abgesehen davon sind sie eben vermutlich keine „Fortschrittsverweigerer“ – sondern einfach nur noch nicht dort abgeholt worden, wo sie stehen. Das ist Deine Aufgabe. Sprich über die Veränderung.

  • Warum ist sie nötig?
  • Was ist das Ziel?
  • Wie wird sich Erfolg zeigen?
  • Was sind die ersten (kleinen) Schritte?
  • Wie kann das Teammitglied dazu beitragen?
  • Gibt es vielleicht Vorteile für den- oder diejenige?

Und belasse es nicht bei diesem einen Gespräch. Regelmäßig Feedback einholen und die Stimmung testen ist notwendig. Dabei solltest Du Dich nicht ausschließlich auf das verlassen, was Du hörst. Gespräche unter Kollegen in der Pause sind oftmals sehr viel offener als mit dem (neuen) Chef oder der neuen Chefin.

Führung ist eine sehr anstrengende Aufgabe, insbesondere in Veränderungsprozessen. Du musst konstant sprechen und den Spagat schaffen, das Ziel am Horizont genauso präsent zu machen, wie den nächsten kleinen Schritt dahin. Der Lohn für diese Arbeit ist eine erfolgreiche Anpassung mit einem zufriedenen Team.

Episoden

Simone Gerwers

Simone Gerwers

Simone Gerwers Herzensthema ist Mut. Mut zur Veränderung und zur Führung sind wichtig für erfolgreiche Nachfolge. Deshalb sprach ich Simone auf dem Business Podcast Barcamp an und sie willigte direkt in ein Gespräch ein.

In dieser Episode sprechen wir darüber, was es bedeutet, mutig zu sein und warum er so wichtig für Dich als Nachfolger und Unternehmer ist. Im Laufe des Gesprächs kommen wir auf verschiedene Bereiche, in denen er erforderlich ist.

Simone hat zahlreiche Geschichten aus ihrer beruflichen Praxis, die Dir helfen können, mit Deinen Herausforderungen besser umzugehen. Denn mutige Nachfolger sind etwas, dass wir für unsere Gesellschaft und unsere Zukunft brauchen.

Links zur Episode: