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In meinem letzten Beitrag hatte ich eine Serie meiner größten Fails begonnen. Diese habe ich im Rahmen einer Vortragsveranstaltung erläutert und mich entschieden, daraus auch eine Blogserie zu machen. Mit dieser geht es heute weiter. Das heutige Thema ist, sozusagen, die “Kardinalsünde” des Kaufmanns: Die eigenen Zahlen nicht in Ordnung zu haben.

Vorgeschichte: Die Amateurbuchhaltung

Die Kardinalsünde des Kaufmanns: Die eigenen Zahlen nicht in Ordnung zu haben. Share on X

Wie in vielen kleinen Familienunternehmen war bei uns, seit Gründung der Firma, die Buchhaltung ein Nebenkriegsschauplatz. Dementsprechend erfuhr sie wenig Beachtung. Hauptsache, es lief. Die Frage, ob es gut lief, oder gar richtig lief, wurde nicht gestellt. Meine Mutter war, bis zu ihrer Rente, für diesen Bereich verantwortlich. Sie hatte sich alles selbst beigebracht und wurde von einer (sehr alten) Software dabei unterstützt.

Sie buchte also die Belege ein, auf Konten, die ihr irgendwann mal von jemand oder der Software genannt wurden. Am Ende des Jahres durfte dann der Steuerberater recht viel korrigieren. Die Bilanz war natürlich immer richtig. Aber wer vielleicht noch meinen Podcast mit Hans-Peter Rühl zu diesem Thema im Kopf hat, erinnert sich vielleicht: Die Bilanz zeigt alles zu einem Stichtag. Es gibt aber noch 364 andere Tage im Jahr, bei denen die Bilanz keine Aussagekraft hat.

Die unterschiedlichen Denkweisen zeigen sich in den Zahlen

So war also die buchhalterische Arbeit und damit der Umgang mit Zahlen eher amateurhaft. Abschreibungen (und damit ein wesentlicher Einflussfaktor auf das bilanzielle Ergebnis) wurden geschätzt, alte, vermeintlich bekannte Zahlen nicht ordentlich validiert. Das Ergebnis: Ein Stochern im Dunkeln für die Führungskraft. Das nahm ich, mangels besseren Wissens, lange hin.

Die Änderung erfolgte, als meine Mutter in die wohlverdiente Rente ging. Ich entschied mich, die Stelle nicht nachzubesetzen, sondern nur noch Vorbuchhaltung im Haus zu machen. Unser Steuerberater übernahm Buchführung und Lohnbuchhaltung.

Das führte gleich zu mehreren Kulturschocks.

Der erste war, dass der Steuerberater, richtigerweise, in Monaten denkt. Nun ist unser Geschäftsmodell etwas anders. Ein Großteil des Umsatzes passiert, in meinem Kopf, am 1. Januar, wenn wir unsere Pflegeverträge für das neue Jahr in Rechnung stellen. Meine Mutter und ich hatten das so im Kopf, und haben dementsprechend dann “nur noch” die weiteren Umsätze des Jahres darauf addiert.

Als ich meine erste BWA erhielt, war ich kurz geschockt – sie zeigte praktisch weniger als 10% dessen an Umsatz, was ich so im Kopf hatte. Nach dem initialen Schock und einem Telefonat war ich schlauer. Und lernte das mit der Zeit zu schätzen.

Steuerrecht und gesunder Menschenverstand gehen nicht einher

Wer meinen Blog aufmerksam liest, oder meinen Podcast dazu gehört hat, weiß auch, dass ich vor langer Zeit eine Exceltabelle gebastelt hatte. Diese war stark liquiditätsfokussiert und auf mein Geschäftsmodell angepasst. Gerade die Kostenseite war eher nach gesundem Menschenverstand aufgeteilt – so spielt es für mich keine Rolle, woher eine Software kommt. Für den Steuerberater schon, denn Software aus der EU oder von außerhalb der EU sind unterschiedliche Konten.

Ebenso dachte ich bei anderen Punkten anders, als es das Steuerrecht tut. Dass die Kosten für unsere damalige DSL-Leitung unter “Fax” stehen, darauf wäre ich nicht gekommen. Beide Effekte machen die Kommunikation manchmal schwierig.

Und nicht zuletzt, ich dachte immer jahresweise. Die Tabelle enthielt eine Spalte pro Jahr und erlaubte damit Rückblick und Prognose auf Ebene von Kalenderjahren. Für mich praktisch, und in vielen Teilen korrekt – aber mit Folgen.

Huch, wo kommt das Plus her?

Dadurch, dass ich mich an meinem gesunden Menschenverstand und den althergebrachten Zahlen meiner Mutter, insbesondere bei Kostenprognosen auf Ebene eines Jahres orientierte, die BWA aber nicht regelmäßig und systematisch auswertete, ergaben sich zunehmende Abweichungen. Die habe ich aber nicht wahrgenommen, bis ich am Jahresende mal genauer einstieg, um eine mögliche Bonuszahlung an mein Team zu prüfen.

Dabei ergab sich, dass ich in meiner Kostenschätzung deutlich über den realen Kosten lag. So deutlich, dass sich das Finanzamt sehr über ein gutes Ergebnis gefreut hat, und mein Team einen Bonus bekam.

Das klingt jetzt wie Jammern auf hohem Niveau, aber ich war tatsächlich geschockt. Dachte ich doch seit Jahren (und mit jeder Menge Stolz), dass ich meine Prognosen auf 1-2% genau schon am 1. Januar habe. Das war nicht der Fall, wie ich nun erkannte.

Die Folge: Jede Menge Arbeit

Sowohl mein Stolz, als auch meine Pedanterie ließen keine andere Folge zu. Ich habe über Wochen meine Tabelle komplett neu gebaut. Jeder Kostenblock, also z. B. Personal, Gebäude, Software, Versicherung, usw. wurde in einzelne Tabellenblätter eingegeben. Dazu habe ich mich auch von der Jahresübersicht verabschiedet, sondern es tatsächlich auf Monate herunter gebrochen.

Somit habe ich nun ein neues Schema, bei allen Blöcken: Planung, monatsweise Ist-Zahlen, Prognose (statisch) und Prognose (laufend). Das ganze gibt es natürlich nicht nur für Kosten, sondern auch Erlöse, inkl. einer laufenden Übersicht der Konten.

Die Idee dahinter ist, dass ich mit meinem Führungsteam am Ende des Vorjahres eine Prognose für das Folgejahr erstelle und diese festhalte. Danach baue ich die Belege, die über die Vorbuchhaltung kommen, in die entsprechenden Monate und Kostenblöcke/Kostenarten ein. Die statische Prognose ist das Bild, das sich ergeben würde, wenn alle Kosten wie geplant entstehen und alle Umsätze wie geplant erlöst werden. Die laufende Prognose ergibt sich aus den prognostizierten Additionen aller Monate, korrigiert um die jeweiligen Ist-Zahlen aus Belegen und BWA.

Mal schauen, was es bringt

Es war eine Menge Arbeit und erfordert auch, dass ich Zahlen konstant aktualisiere. Bislang hat sich aber schon im ersten Monat BWA ein durchaus erheblicher Unterschied zwischen meinen Zahlen und denen des Steuerberaters ergeben. Dem gehe ich nun in einem gemeinsamen Termin auf den Grund.

Das Ziel: Wieder auf 1-2% Abweichung zwischen meiner Prognose und dem tatsächlichen Ergebnis zu kommen.

Wenn Du „Kennzahlen“, „Bilanz“ oder „BWA“ in Google eingibst, wirst Du erschlagen. Es gibt unzählige Kurse, Studiengänge, Bücher und andere Quellen, die sich damit beschäftigen. Ob Return on Investment, Lagerumschlag oder Umsatzrendite, praktisch alles kann und wird messbar gemacht. Nun ist nicht jeder Nachfolger Betriebswirt, nicht jeder hat diese Kenntnisse. Was dann?

Meiner Erfahrung nach: Sehr gut! Es gibt nichts besseres, als mit einem offenen Geist und ohne vorgefestigte Ansichten an ein Thema zu gehen. Beste Nachfolge-StartUp Schule. Denn wenn man ehrlich ist, das allermeiste wirst Du in Deinem Alltag nicht benötigen.

Gewisse Begriffe solltest Du kennen

Natürlich musst Du wissen, was eine Bilanz ist. Nämlich eine stichtagsbezogene Analyse der Herkunft und der Verwendung von Geld. Oder was eine BWA ist, nämlich eine aktuelle Übersicht über die Ertragslage des Unternehmens. Es hilft auch zu wissen, dass es Kennzahlen gibt. Schließlich möchte man eine Möglichkeit haben, Unternehmen zu beurteilen und die Zielerreichung zu messen.

Allerdings bedeutet das alles nicht, dass Du viel tiefer einsteigen musst, um Erfolg mit Deinem Nachfolge-StartUp zu haben. Schon gar nicht am Anfang. Das wichtigste Werkzeug, das Du hast, ist Dein gesunder Menschenverstand. Für alles weitere gibt es Kurse und Bücher, die Du Dir zu passender Gelegenheit gönnen kannst, um Dein Wissen auszubauen. Mir ist insbesondere Podcast und Kursangebot von Hans Peter Rühl in guter Erinnerung geblieben. Er vermittelt einen guten Überblick und Einstieg in das Thema – in meinen Augen erreicht er sogar mehr, nämlich die berühmten 80% der wichtigsten Informationen.

Welche Kennzahlen sind denn nun wichtig für Nachfolger?

Basiswissen, wie oben dargestellt, also das Wissen, was sich hinter Begriffen verbirgt, ist auf jeden Fall notwendig. Achte darauf, wenn möglich Angebote speziell für Führungskräfte in Anspruch zu nehmen. Diese sind meist viel kompakter und zugänglicher. Ist das Wissen da, gibt es für mich drei herausstechende Merkmale, die Du im Blick behalten solltest.

Liquidität genießt bei mir die mit Abstand höchste Priorität. Mein Freund Philip Ellrich bringt es auf den Punkt: „Cash is King“. Ich rate Dir aber nicht nur deshalb dazu, sondern aus den ureigensten Interessen. Ist Deine Liquidität zu Ende, bist Du insolvent. Das ist an sich schon schlimm genug. Allerdings könntest Du Dich, wenn Du die Liquidität nicht im Blick und im Griff hast, der Insolvenzverschleppung schuldig machen. Da schützt auch Unwissen nicht vor Strafe – und das ist absolut kein Kavaliersdelikt, sondern das Ende Deiner Nachfolger-Karriere. Hinzu kommt, dass Kredite, auch der Kontokorrent, Geld kosten. Es schadet also, alles in allem, nicht, über Cash zu verfügen.

Dazu kommt noch, dass sich in all den Dingen, die so vom Konto abgehen, riesige Sparpotenziale verbergen können. Diese nutzen kannst Du aber erst, wenn Du das im Blick hast. Ich halte deshalb eine Art Liquiditätsrechnung für unendlich hilfreich. Ich will daraus auf einen Blick ablesen können, wohin sich Euro und Cent wofür bewegen. Und das natürlich möglichst für einen Menschen lesbar. Diese Kombination von Anforderungen bekommst Du nur mit Aufwand aus Deiner Buchhaltung. Ich habe mir dafür eine Exceltabelle gebaut, die ich Dir kostenlos zur Verfügung stelle. Per Mail erhältst Du zudem einige Hinweise, wie Du sie am besten für Dich einsetzen kannst.

Ich bin liquide. Und nun?

Läufst Du nicht Gefahr, Dein Geld aus den Augen zu verlieren und weißt auch, wofür Du es ausgibst, ist die Rentabilität für mich auf Platz zwei. Millionenumsätze helfen Dir nicht, wenn davon am Schluss nichts hängen bleibt. Analysiere also sehr genau, welche Kosten und Aufwände Dir entstehen, Aufträge anzunehmen und vergleiche es mit dem Erlös. Vielleicht wirst Du manchmal überrascht sein, wenn ein halbes Jahr Arbeit unterm Strich nur ein paar hundert Euro abwirft – das wäre der Moment, über diese Aufträge nachzudenken.

Sei jedoch vorsichtig und nutze auch hier Deinen gesunden Menschenverstand. Die klassische Kostenrechnung versucht, alle Kosten letztendlich auf Produkte umzulegen. Im Umkehrschluss bedeutet das aber, dass Du Dich selbst belügst – denn das Einstellen dieses Produkts oder dieser Dienstleistung bedeutet oft nicht, dass auch alle Kosten wegfallen. Nur, weil Du eines von 20 Produkten einstellst, kostet Dein Sekretariat nicht automatisch 5% weniger. Ich empfehle an dieser Stelle gerne noch einmal Hans Peter Rühl, dessen Seminar Gewinnsteigerung durch Kostenrechnung hier viele wertvolle Einblicke liefert.

Last but not least finde ich den Blick auf die prozentuale Verteilung der Ausgaben sehr spannend. Das zeigt nicht nur Möglichkeiten zum Einsparen auf. Es rückt auch manche Zahlen in Perspektive. Ich erinnere mich an eine Diskussion, ob ein weiteres Firmenfahrzeug angeschafft werden sollte. Es ging über mehrere Tage hin und her. Als ich dann aber einfach mal alle damit verbundenen Kosten aufsummiert habe, wurde schnell klar, dass wir mit der Diskussion annähernd so viel geldwerte Zeit verbrannt hatten.

Dinge, die Du wissen oder Dir bewusst machen solltest

Dir werden auf jeden Fall Kennzahlensysteme begegnen. Sei Dir darüber bewusst, dass diese oft automatisiert sind, und mit Deiner Realität nicht kompatibel. Darüber habe ich ja schon einmal geschrieben.

Kennzahlen sind nicht alles. Ich glaube, dass Du 80% Deiner Ziele durch gesunden Menschenverstand erreichst. Deinem Bauchgefühl, und dem Deines Teams, zu trauen, hilft meist weiter, als jedes System. Dazu braucht es auch keine teuren Berater.

Such Dir für Dich 2-5 wichtige Zahlen aus, die für Dich und Dein Geschäft passen. Halt sie im Blick und sei in der Lage, sie sofort aufzusagen, wenn ich Dich um drei Uhr nachts anrufe. Alles andere erhebst Du nur bei Bedarf. Die Größe Deines Unternehmens ist dabei kein Argument, ganz im Gegenteil. Basics heißen deswegen so, weil sie überall wichtig sind und funktionieren. Du kannst vielleicht durch viel mehr Aufwand und ein ausgefeiltes Kennzahlensystem noch 1-2% herausholen. Nun frag Dich aber mal, was Du erreichen kannst, wenn Du den dazu nötigen Aufwand in Dein Team, Deine Produkte oder Deine Dienstleistungen steckst. Ich wette, der Impact wäre größer.

Entwickele mit Deiner Buchhaltung ein kleines Reporting. Und zwar wirklich klein, und nur relevantes. Beispielsweise die monatlichen Kontostände. Mach aber kein Reporting weil Du der Ansicht bist, das sei richtig. Und quäle Deinen Steuerberater mit Fragen, bis Du die für Dich relevanten Dinge verstanden hast.

Was Du mit Hilfe meiner Liquiditätsübersicht noch optimieren kannst

Der Rückblick ist nie verkehrt, denn er hilft, Deine Methoden und Prognosen zu verbessern. Dazu musst Du aber die Daten archivieren. Ich mache mir vom ersten Tabellenblatt meiner Liquiditätsübersicht am Ende jeden Jahres, oft auch mehrmals dazwischen, Kopien. So halte ich bestimmte Zwischenstände und Prognosen fest, arbeite aber nur im aktuellsten Blatt. Das erlaubt es, diese Zwischenstände zu vergleichen und daraus Optimierungen abzuleiten.

Unterschätze zudem nicht den Wert einer Prognose. Kleine Änderungen heute, gerade bei Gehältern, können später große Auswirkungen haben! Und mein letzter Rat ist es, auch für Dich lieber defensiv mit Zahlen umzugehen. So bleibst Du nicht nur auf dem Boden, sondern hast auch viel öfter tolle Erfolgserlebnisse.

Was sind Deine besten Tipps zum Thema Kennzahlen? Lass es mich wissen!

 

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Episoden

Der gesunde Menschenverstand, insbesondere wenn es um Liquidität geht, hilft schon ungemein viel. So entstand die Tabelle, die Du in den Shownotes der Episode sechs finden kannst, und die ich auch heute noch einsetze.

Allerdings bin ich natürlich nicht so gut geeignet, über Bilanz, BWA und Kosten- & Leistungsrechnung zu sprechen, wie ein Profi. Ein solcher ist Hans Peter Rühl, der sich darauf spezialisiert hat, Führungskräften die wichtigsten Grundlagen und deren Anwendung beizubringen.

Hans Peter gibt in dieser Episode einen guten Blick auf die wichtigsten Basics im Umgang mit diesen Betriebsunterlagen – und wie Du, als Nachfolgerin oder Nachfolger, dieser auch zum Vorteil des Unternehmens anwenden kannst.

Link zur Episode:

In Episode Nummer fünf von Follow-Up.fm habe ich über den Businessplan in der Unternehmensnachfolge gesprochen. In diesem Sonderfall gibt es ja bereits Bilanzen, BWAs und Kennzahlen und sie werden meist mit angefordert.

Nun hat nicht jeder Nachfolger Betriebswirtschaft studiert, oder eine kaufmännische Ausbildung. Das ist aber auch nicht notwendig und sollte Dich auf keinen Fall abschrecken. Ganz im Gegenteil, mit dieser Episode möchte ich Dir sieben Tipps an die Hand geben, die hoffentlich helfen, den Finanzbereich entspannter zu betrachten. Aber natürlich auch erfolgreich im Griff zu haben!

Nach einer kurzen Einleitung gehe ich deshalb gezielt darauf ein, was für Nachfolge und in Nachfolge-StartUps wirklich wichtig ist, und wie man an diese Informationen kommt. Ich nenne meine drei wichtigsten Kennzahlen und Indikatoren und erläutere, warum gerade diese meiner Meinung nach eine wichtige Rolle spielen. Zudem gebe ich Euch eine Exceltabelle, mit deren Hilfe Ihr Euch schnell einen Überblick verschaffen könnt.

Im letzten Teil folgen sieben Hinweise und Ratschläge, die Euch helfen sollen, den Themenkomplex erfolgreich zu bewältigen – auch ohne MBA.

 

Links zur Episode: